Insolvenzen: Niedrige Zinsen verhindern neue Pleitewelle

Nach Anzahl der Fälle führt die Baubranche die Insolvenzstatistik mit 432 Fällen an:
Nach Anzahl der Fälle führt die Baubranche die Insolvenzstatistik mit 432 Fällen an:(c) REUTERS (Rodrigo Garrido)
  • Drucken

Im ersten Halbjahr blieben die Firmeninsolvenzen mit 2587 Stück weitgehend stabil. Die Unternehmer sollten die Niedrigzinsphase für Investitionen nutzen, rät der KSV1870. Steigt der Zins, werde es für einige wieder eng.

Wien. Heimische Unternehmen sollten die Niedrigzinsphase nützen, um mehr Investitionen zu tätigen. Es werde allerdings kaum investiert, obwohl die Firmen mit ihrer aktuellen Geschäftslage überwiegend zufrieden seien, sagte KSV1870-Chef Ricardo-Jose Vybiral am Dienstag. Wenn die Zinsen wieder steigen, dürfte es für einige Unternehmen schwieriger werden.

Die Risikoaversion der österreichischen Firmen sei sehr groß, obwohl die Stimmung unter den Unternehmen nicht schlecht sei, so Vybiral. Rund 70 Prozent der vom KSV befragten Unternehmen stufen ihre derzeitige Geschäftslage als „gut“ oder „sehr gut“ ein. Allerdings wollen nur 43 Prozent der Unternehmen ihre derzeitigen Investitionen erhöhen, geht aus den Zahlen des KSV hervor.

Der KSV-Chef vermutet die Gründe dafür vor allem in der herrschenden Unternehmenskultur, die nicht sehr risikofreudig sei. Mit staatlichen Anreizen könne seiner Meinung nach nicht viel bei den Unternehmen erreicht werden. „Wir wissen, dass zur Verfügung stehende Förderungen von den Unternehmen nicht ausgeschöpft werden.“

Meiste Pleiten in Baubranche

Die Firmen müssten sich viel eher selbst am Riemen reißen und jetzt investieren, insbesondere solange die Zinsen noch niedrig seien und dies eine etwas schwächere konjunkturelle Lage noch ausgleichen könne, sagte Vybiral weiter. Die Niedrigzinsphase dürfte noch einige Zeit anhalten, denn derzeit drehe sich der geldpolitische Wind eher in Richtung Zinssenkungen als in Richtung -steigerungen. Dennoch: „Wenn das Zinsniveau steigt, könnte das einige Unternehmen treffen“, sagte Vybiral.

Da die Zinsen aber nach wie vor niedrig sind, gab es Hochrechnungen des KSV zufolge im ersten Halbjahr 2019 eine Stagnation bei den Unternehmensinsolvenzen zu sehen. Im Vergleich zum ersten Halbjahr 2018 stiegen diese minimal um 0,1 Prozent auf 2587 Insolvenzen. Die Verbindlichkeiten gingen indessen leicht von 908 Mio. auf 895 Mio. Euro zurück, die Zahl der betroffenen Dienstnehmer reduzierte sich sogar um fast zehn Prozent auf rund 8300.

Nach Anzahl der Fälle führt die Baubranche die Insolvenzstatistik mit 432 Fällen an, nach Höhe der Passiva liegt die Maschinen- und Metallbranche mit 178,2 Mio. Euro vorne. Die größten Insolvenzen im ersten Halbjahr 2019 waren die Firmengruppe SFL (Metallbau) mit Passiva in Höhe von 92,1 Mio. Euro, gefolgt von dem Folienhersteller Alufix mit 41 Mio. Euro. Insgesamt gab es 16 Insolvenzen mit Passiva über zehn Mio. Euro, das ist doppelt so viel wie im Vorjahreszeitraum.

Die Zahl der Privatkonkurse fiel indessen laut KSV um 7,1 Prozent auf 5082 Personen. Die Schulden gingen um 32 Prozent auf 729 Mio. Euro zurück. Zudem ist der Anteil der Konkurse mit Zahlungsplänen im Vergleich zum Vorjahr wieder von 68,4 auf 70,5 Prozent gestiegen. Auf den ersten Blick scheinen die Ziele der 2017 eingeführten Novelle für Schuldenregulierungsverfahren – die Entschuldung zu erleichtern – damit erreicht worden zu sein, sagte KSV-Insolvenzrechtsexperte Hans-Georg Kantner.

Steigen Privatkonkurse doch?

Eine mittelfristige Analyse des KSV zeichne jedoch ein etwas anderes Bild, denn vor Inkrafttreten der Novelle zögerten viele Schuldner ihr Verfahren heraus, was zu starken Verzerrungen und Nachholeffekten in den Jahren 2017 und 2018 geführt hätte. Bilde man jedoch einen Mittelwert aus den Zahlen 2017 und 2018 und stelle diesen den Jahren davor und danach (2016 und 2019) gegenüber, zeige sich, dass sich Österreich eigentlich in einer deutlichen Wachstumsphase der Privatkonkurse befinde, so Kantner. Nach dieser Berechnung sei die Zahl der Privatkonkurse von 4223 (Mittelwert 2017/18) auf 5082 Fälle angestiegen. Für das Gesamtjahr 2019 erwartet der KSV1870 rund 9500 Privatkonkurse. (ag.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.06.2019)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Unternehmen werden im Schnitt nur 16 Jahre alt.
International

Menschen leben fünf mal länger als Unternehmen

Die Studie zeigt, dass Firmen in Deutschland im Durchschnitt nur rund 16 Jahre alt werden. Besonders hoch ist die "Sterbewahrscheinlichkeit" vier bis acht Jahre nach der Gründung.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.