Eine Stiftung für Arbeitnehmer, die von Robotern verdrängt wurden

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Die Wirtschaftsforscher vom IHS sehen in Österreich Aufholbedarf bei der Digitalisierung und regen die die Einrichtung einer "Digitalisierungsarbeitsstiftung" an.

Das Institut für Höhere Studien (IHS) sieht in Österreich Aufholbedarf bei Digitalisierung und Automation. Man sei hier nicht so weit vorn wie es ein Hochlohnland sein sollte, befinden die Experten. Ängste, dass die Automation zum Job-Kahlschlag führen würde, zerstreut das IHS.

Sollte es aber dennoch zu einem plötzlichen stärkeren "von uns momentan nicht erwarteten" Beschäftigtenabbau durch den digitalen Wandel kommen, so könnte die Einrichtung einer "Digitalisierungsarbeitsstiftung" erwogen werden, erklärten IHS-Chef Martin Kocher und seine Kollegen Helmut Hofer und Richard Sellner am Mittwoch.

Als Beispiel nannten sie die Stahlstiftung, die nach dem drastischen Jobabbau der Voest in den 1980er Jahren gegründet wurde, und die von Gebietskörperschaften, Arbeitgebern, Arbeitnehmern und betroffenen Arbeitslosen finanziert worden war. Ein Unterschied zu damals liegt freilich darin, dass mit den Stahlarbeitern eine klar abgegrenzte Gruppe betroffen war. Jetzt geht es um viele "automatisierbare" Berufe und Tätigkeiten.

Programme für speziell Betroffene

Das IHS schlägt demnach vor, im Fall des Falles spezifische Programme für speziell Betroffene aufzulegen, also Lösungen für Lkw-Fahrer und Taxifahrer zu finden, wenn diese der Einsatz des Autonomen Fahrens arbeitslos macht.

Generell sollte eine solche Stiftungslösung auf arbeitslos gewordene Personen mit einem Qualifikationsprofil abzielen, das ein hohes Automatisierungs- bzw. Digitalisierungspotenzial aufweist, heißt es im IHS.

Für Österreich ergaben Schätzungen, dass etwa neun Prozent der Beschäftigten bzw. 360.000 Personen ein Tätigkeitsprofil aufweisen, das "ein hohes Potenzial hat, durch Maschinen ersetzt zu werden", schreibt das IHS unter Verweis auf frühere Studien (2017). Wie viele neue Jobs durch neue Technologien entstehen, ist bisher nicht errechnet worden.

Laut IHS muss die Politik jedenfalls von vornherein deutlich mehr für die Bildung ausgeben, auch schon für die frühkindliche. Sie müsse "schauen, dass die Arbeitsplätze im digitalen Bereich überhaupt erst entstehen", forderte Hofer. Sonst kämen die neuen Jobs in Österreich nicht an und die klassischen Arbeitsplätze würden sowieso wegfallen im internationalen Wettbewerb.

Deutsche Experten kamen in Beobachtungen von Automatisierungsprozessen zwischen 1994 und 2014 aber auch zur Erkenntnis, dass negative Beschäftigungseffekte nicht durch Verdrängungseffekte bereits angestellter Arbeiter, sondern in weniger Neueinstellungen begründet waren.

Mehr Produktivität, mehr Beschäftigung

In Firmen, die Industrieroboter einsetzten, sei durch mehr Produktivität, mehr Geschäft und damit auch Expansion, die Beschäftigung gestiegen, vor allem bei hoch qualifizierten Arbeitnehmern, zeigen laut IHS diverse Studien. Nicht automatisierten Unternehmen der betreffenden Branchen würden dagegen Marktanteile entzogen. Sie verschwänden vom Markt. Die Handlungsanleitung des IHS an die Wirtschaftspolitik: Sie dürfe nicht mit Gesetzen darauf abzielen, unproduktive Unternehmen bzw. Jobs zu schützen.

Bisher wurde die in der Warenproduktion durch fortschreitende Automatisierung freigesetzte Arbeit meist im Dienstleistungssektor aufgenommen. Ob das künftig noch so geht, ist fraglich, weil der Einsatz von maschinellem Lernen (Künstliche Intelligenz) nicht auf die produzierenden Sektoren der Wirtschaft beschränkt ist und auch die Dienstleistungsbranchen betrifft.

Über eine Robotersteuer zu diskutieren hielte das IHS derzeit für verfehlt. Mit dieser Variante der alten Maschinensteuer würde man, vor allem auch im internationalen Wettbewerb, den technischen Fortschritt behindern. Wegen der Alterung der Bevölkerung wird insgesamt der Wachstumsbeitrag des Arbeitsvolumens in Österreich in den kommenden Jahren tendenziell abnehmen, prognostizieren die Experten.

Niemand wolle Waschmaschine abschaffen

Schreckensszenarien seien jedenfalls nicht angebracht, meint man im IHS. Die meisten Arbeitsplätze, die neu entstünden, seien auch besser als jene, die verloren gegangen seien. Niemand käme auf die Idee, die Waschmaschine abzuschaffen, um Wäscherinnen ihren Job am Fluss wieder zu geben.

(APA)

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