Betriebe resignieren vor der Steuerlast

„Die Unternehmen wissen nicht mehr, was sie dürfen“, sagt Verena Gabler.
„Die Unternehmen wissen nicht mehr, was sie dürfen“, sagt Verena Gabler.(c) Daniel Novotny
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Zu teuer, zu komplex, zu erratisch. Das Steuersystem vergraule Firmen, so Deloitte.

Alpbach. Rechtzeitig vor den Wahlen greift manche Partei noch einmal auf altbewährte Ideen zurück: Neue Steuern sollen Land, Leute und das Klima retten! Seien es die Erbschafts- und Vermögensteuern der SPÖ oder die CO2-Steuer, die von den Neos promotet wird. Von der schon fertig ausverhandelten Steuerentlastung ist hingegen kaum noch die Rede.

Das ist nicht nur symptomatisch für das Hochsteuerland Österreich, sondern gräbt sich langsam, aber sicher auch tief in das Bewusstsein der hiesigen Unternehmen ein. „Die österreichischen Unternehmen resignieren“, zitiert Verena Gabler, Steuerexpertin und Partnerin bei Deloitte, aus der jährlichen Steuerstudie des größten heimischen Steuerberaters. Jede Zweite der 263 befragten Führungskräfte glaubt demnach nicht, dass sich allzu bald etwas ändern wird.

Das habe drastische Folgen: „Hohe Abgaben und ein komplexes System erschweren das Wirtschaften hierzulande. Das ist nicht nur unnötig, sondern bremst Österreich in internationalen Rankings aus und schmälert die Wettbewerbsfähigkeit“, so das Fazit der Studie.

Was darf man noch schenken?

Gerade bei den Lohnnebenkosten ist die Belastung in Österreich so hoch wie in kaum einem anderen OECD-Land. „Das spielt eine entscheidende Rolle für internationale Unternehmen, die vor einer Standortentscheidung stehen“, sagt Gabler. Die gute Lebensqualität und die schönen Berge könnten das nicht aufwiegen. „Die quantitativen Faktoren geben immer den Ton an.“

Anders sieht das bei den Unternehmen aus, die bereits in Österreich sind und „nur“ ungestört ihr Tagesgeschäft abspulen wollen. Auch sie stellt das Steuersystem vor große Hürden. Komplexe steuerliche Regelungen, doppeldeutige Aussagen der Finanzbehörden und rasche Änderungen der Gesetzeslage machen es für die Unternehmen immer schwieriger, wenigstens keine Fehler zu machen.

Klassisches Beispiel sind die Regelungen für Repräsentationsausgaben, über deren steuerliche Abzugsfähigkeit die Finanzbehörden selbst entscheiden können. Bei der Fußball-Heim-EM 2008 hatten viele heimische Unternehmen Tickets an ihre Geschäftspartner verschenkt – und konnten die Kosten dafür problemlos in ihrer Steuererklärung geltend machen. Fünf Jahre später, bei der Ski-WM in Schladming, wiederholte sich das Spiel, allerdings mit einem anderen Ausgang. Was 2008 akzeptiert wurde, sollte 2013 nicht mehr gelten, entschied das Bundesfinanzgericht im Jahr 2016. Die Folge waren Nachzahlungen in Millionenhöhe. Und heute, drei Jahre später, habe sich die Rechtsauslegung weiter verschärft, sagt Verena Gabler: „Tenor der Finanzbehörden ist: Alles, was Spaß macht, ist böse.“

Laufende Kontrolle ist besser

Mit Jahresanfang gebe es erste Verbesserungen. Statt einer Betriebsprüfung im Nachhinein können sich Unternehmen auch laufend von den Finanzbehörden kontrollieren lassen und so verbindliche Einschätzungen erhalten. „Ein gutes Instrument“, lobt die Steuerexpertin. Doch es hat einen Haken: Mitmachen können nur Unternehmen, die mindestens 40 Millionen Euro Umsatz erwirtschaften und vorab ein eigenes Steuerkontrollsystem implementiert haben. Ein Aufwand, den viele Unternehmen noch scheuen.

Bei den Wünschen der Unternehmen an die neue Bundesregierung steht dennoch die Senkung der Lohnnebenkosten mit 75 Prozent Zustimmung an oberster Stelle. Auf Platz zwei folgt die Vereinfachung des Einkommensteuergesetzes (51 Prozent). Die geplante Steuerreform wäre in beiden Bereichen „in die richtige Richtung gegangen“, sagt Gabler. Nun sei der Zug vorerst abgefahren. Und für die Unternehmen heißt es wieder einmal warten.

AUF EINEN BLICK

Verena Gabler (geboren 1985) ist seit Juni 2018 Partnerin im Bereich Steuerberatung bei Deloitte Österreich. Zuvor war sie mehrere Jahre beim Wirtschaftsprüfungsunternehmen PwC tätig. Das große Spezialgebiet der Expertin ist die Umsatzsteuer.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.08.2019)

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