Insider-Prozess: OMV-Chef Ruttenstorfer freigesprochen

InsiderProzess OMVChef Ruttenstorfer freigesprochen
InsiderProzess OMVChef Ruttenstorfer freigesprochen(c) AP (Ronald Zak)
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Dem OMV-Chef wurde vorgeworfen, vor dem MOL-Verkauf mit Insiderwissen OMV-Aktien erworben zu haben. Der Staatsanwalt beruft gegen das Urteil.

[wien] „Das war nicht der klassische Fall des Insiderhandels.“ Mit diesen Worten begründet Richterin Claudia Moravec-Loidolt am Donnerstagabend nach knapp zehnstündiger Verhandlung ihren Freispruch für OMV-Chef Wolfgang Ruttenstorfer von dem Vorwurf des Insiderhandels.

Wie mehrfach berichtet, hatte die Staatsanwaltschaft Ruttenstorfer vorgeworfen, am 23. März 2009 26.500 OMV-Aktien gekauft zu haben - mit dem Insiderwissen, dass die russische Surgutneftegaz am 30. März ein 21,2-Prozent-Aktienpaket an der ungarischen MOL von der OMV kaufen wird. Laut Ruttenstorfer wurde der Verkauf jedoch erst in den zwei Tagen vor Vertragsabschluss konkret verhandelt.

„Objektiv“ seien die Gründe für den Insiderhandel zwar gegeben, sagt Moravec-Loidolt weiter. So seien etwa die Informationen über den bevorstehenden Verkauf der MOL-Anteile genau genug gewesen, um diesen Tatbestand zu erfüllen. Die Richterin schließt sich damit der Argumentation von Staatsanwalt Michael Schön an, die sich vor allem auf ein Email des Investmentbankers Jeremy Wilson von JP Morgan stützt, der die OMV in dieser Frage beriet. Allerdings sei der kausale Zusammenhang zwischen diesem Wissen und dem Kauf der Aktien nicht gegeben. Ruttenstorfer hatte die Aktien nämlich im Rahmen eines langfristigen Aktienprogramms der OMV erworben. „Er hätte auch ohne dieses Wissen so gehandelt“, so Moravec-Loidolt.

Aus der Sache lernen

Der OMV-Chef zeigte sich in einer ersten Reaktion erleichtert. „Der Freispruch bestätigt, dass ich die Aktien gekauft habe, um sie langfristig zu halten“, sagt Ruttenstorfer. Allerdings habe die ganze Causa gezeigt, dass es für einen „Vorstand schwierig ist, eigene Aktieon zu kaufen“. Die OMV und die gesamte heimische Wirtschaft müssten daraus lernen.

Im Zentrum der Verhandlung stand ein Mail des Investmentbankers Jeremy Wilson von JP Morgan. Wilson schickte an Ruttenstorfer am 22. März 2009 einen detaillierten Plan, wie ein Verkauf der MOL-Anteile an Surgutneftegaz ablaufen könnte. Etwa, dass sich Ruttenstorfer vor einem geplanten Treffen mit Vertretern von Surgutneftegaz am 26. März in Moskau noch unbedingt eine Zustimmung des Aufsichtsrates holen sollte, damit er einen möglichen Verkauf des MOL-Pakets verhandeln könne. Was Ruttenstorfer auch machte. Ein Mitarbeiter von Wilson schickte der OMV sogar einen Vorschlag für eine Presseaussendung, in der bekannt gegeben werden sollte, dass „Otter seine Anteile an Maus an Selmo verkauft hat“ - ein Code für OMV, MOL und Surgutneftegaz.

Nach Angaben von Ruttenstorfer war zu diesem Zeitpunkt ein Verkauf des Gesamtpakets jedoch alles andere als wahrscheinlich. So habe er mit den Russen zuvor nur einen kurzes Gespräch am Rande des Opec-Gipfels am 14. März geführt. Und dabei sei es lediglich darum gegangen, dass Surgutneftegaz über die Börse bei den Ungarn einsteigt und von der OMV eventuell „ein paar Prozent“ an MOL abkauft. An der Börse waren die MOL-Aktien aufgrund der Finanzkrise zu dem Zeitpunkt nämlich nur rund halb so viel Wert wie in den OMV-Büchern. „Und ich war mir damals sicher, dass niemand zum Doppelten des Marktpreises kaufen wird“, sagt Ruttenstorfer. Eine Sichtweise, die von mehreren befragten Zeugen – darunter auch ÖIAG-Chef Peter Michaelis – geteilt wird.

JP Morgan war sehr konkret

Warum waren dann die Ausführungen von Wilson am 22. März bereits so konkret, will Schön in der Folge wissen. Weil JP Morgan nur bei dem Verkauf eines Komplettpakets ein Honorar erhält, antwortet Ruttenstorfer. „Ich kann nichts dagegen tun, wenn sie uns Emails schreiben.“ Bei der OMV sei man aufgrund der fehlenden Informationen über die wahre Interessenslage der Russen äußerst skeptisch gewesen. Der Komplettverkauf sei nur eine der möglichen Optionen gewesen.

Diese Darstellung bestätigt Wilson vor Gericht. „Mein Job ist es, Optionen zu schaffen. Auch wenn die Chance nur bei fünf Prozent liegt, schaue ich darauf, dass alles vorbereitet ist“, so der Investmentbanker. Außerdem sei er am 23. März auf einen zweiwöchigen Urlaub nach Tahiti geflogen. Daher wollte er noch den „Samen für ein Honorar“ legen. Es hat sich für JP Morgan schlussendlich ausgezahlt, die Investmentbank erhielt von der OMV für den Deal sechs Mio. Euro.

Doch warum hat Ruttenstorfer ausgerechnet an diesem 23. März seine Aktien gekauft? Der Grund dafür war das langfristige Aktienprogramm der OMV. Dieses wurde Anfang März 2009 grundsätzlich beschlossen. Erst am 23. März war klar, wie viele Aktien Ruttenstorfer erwerben muss. Er hätte zwar rund ein halbes Jahr Zeit gehabt, die Aktien zu kaufen. „Ich wollte aber mit gutem Beispiel vorangehen.“

Der Staatsanwalt meldete gegen den Freispruch Berufung an.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28. 1. 2011)

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