Hat Grasser als Minister Steuern hinterzogen?

GRASSER-RAZZIA: HAUSDURCHSUCHUNG BEI  VALUECREATION GMBH
GRASSER-RAZZIA: HAUSDURCHSUCHUNG BEI VALUECREATION GMBH(c) APA/GEORG HOCHMUTH (Georg Hochmuth)
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60 Beamte durchsuchten Wohnungen und Büros des ehemaligen Finanzministers Karl-Heinz Grasser. Er soll seit 2003 vier Millionen Euro steuerschonend über ein Firmenkonstrukt eingenommen haben.

Wien. Eigentlich müsste ein Finanzminister ja am besten wissen, welche Steuern unter welchen Bedingungen zu bezahlen sind. Karl-Heinz Grasser wusste es nach eigenen Angaben nicht, nur glaubt ihm das das Finanzamt nicht. Und das ist im neuesten Krimi um den früheren Politiker die alles entscheidende Frage: Wenn der Staatsanwalt Grasser nachweisen kann, dass er wissentlich Steuern hinterzogen hat, drohen ihm mehrere Jahre Haft.

Das Verfahren zieht sich bereits über mehrere Monate, erreichte gestern aber einen Höhepunkt: 60 Beamte der Steuerfahndung und des Bundeskriminalamts durchsuchten zehn Wohnungen und Büros Grassers und seines Steuerberaters in Wien, Kärnten und Tirol. Material wurde kistenweise abtransportiert – nicht nur unter den Augen von Grassers Anwalt Manfred Ainedter, sondern auch von Dutzenden Journalisten.

Kein Buwog-Zusammenhang

Die Untersuchung hat nichts mit dem Verkauf der Buwog zu tun, an dem Freunde Grassers unter Bedingungen, die ebenfalls von der Staatsanwaltschaft untersucht werden, Millionen verdient hatten. Und auch nicht mit einem anderen Verfahren nach einer Selbstanzeige Grassers, weil er vergessen hatte, Einkünfte aus Aktien in Kanada bei den Steuerbehörden in Österreich anzugeben.

Diesmal geht es um die Art und Weise, wie der ehemalige Finanzminister sein in Österreich verdientes Geld versteuerte. Und das offenbar auch schon in seiner Zeit als Finanzminister: Laut Aussendung der Staatsanwaltschaft steht Grasser nämlich im Verdacht, „seit dem Jahr 2003 unter Beteiligung seines Steuerberaters Abgaben hinterzogen zu haben“. Grasser war von 2000 bis Jänner 2007 Finanzminister.

Bei dem Verfahren geht es um eine Konstruktion, die Grasser und sein Steuerberater von der Firma Deloitte entwickelten, um Grasser eine möglichst schonende Versteuerung seiner Einkünfte zu ermöglichen. Insgesamt geht es dem Vernehmen nach um Einnahmen in der Höhe von vier Millionen Euro. Nach Ansicht des Steuerberaters ist die Konstruktion rechtens, nach Ansicht der Finanz und der Staatsanwaltschaft diente sie nur dazu, um „Honorarzahlungen (...) der österreichischen Besteuerung zu entziehen“.

Laut Auskunft einer Person, die mit solchen Konstruktionen vertraut ist, könnte ein steuerschonendes Firmengeflecht so aussehen: Eine Stiftung in Liechtenstein gründet eine Firma auf Zypern, die Verträge mit Firmen beispielsweise auf den britischen Kanalinseln schließt. Darin verpflichtet sich die Firma auf Zypern, Managementdienste in Österreich zu erbringen. Die Bezahlung für diese Dienste fließt nach Zypern, wird nach den dortigen Gesetzen äußerst günstig versteuert und ist damit in der Stiftung in Liechtenstein.

So weit die Theorie. In der Praxis, die die Behörden Grasser und seinem Steuerberater vorwerfen, sieht es ähnlich aus. Auch Grassers Gelder flossen in eine Stiftung in Liechtenstein. Die wichtige Frage dabei: War Grasser der Begünstigte der Stiftung, konnte er frei über das Vermögen verfügen? War die Stiftung also, wie ein Steuerbeamter erklärte, „ein besseres Sparbuch“? Oder war es eine sogenannte „intransparente Stiftung“, bei der unabhängige Stiftungsräte über das Vermögen verfügen? Keinesfalls, erklärt der Steuerexperte, darf nämlich in dem fiktiven Beispiel der Dienstleister am Ende auch der Begünstigte sein.

Für die Justiz ist die Konstruktion, die Grasser und sein Steuerberater entwarfen, ein „Musterbeispiel für einen Steuerbetrug“, wie es der Beamte ausdrückte. Er glaubt, dass das Verfahren „auf jeden Fall“ mit einer Steuernachzahlung von mehreren Millionen Euro enden wird. Die Frage, die über ein Strafverfahren entscheidet, ist aber die, ob Grasser und sein Steuerberater wissentlich gegen Steuergesetze verstießen oder ob es ein „entschuldbarer Irrtum“ war, der mit einer Geldstrafe erledigt ist.

Die beiden weisen jede Schuld von sich, für sie gilt selbstverständlich die Unschuldsvermutung.

Grasser „sehr angefressen“

Karl-Heinz Grasser, der sich im Ausland aufhalte, sei „sehr angefressen“, erklärt Anwalt Ainedter. Es sei „ein Skandal“, dass die Medien über eine Presseaussendung auf die laufenden Hausdurchsuchungen aufmerksam gemacht worden seien.

Der Verdacht der Justiz auf Steuerhinterziehung durch Grasser sei „reine Spekulation“, die Aktion der Justiz sei „überraschend und nicht nachvollziehbar“, so Ainedter weiter. „Mein Mandant hat alles offengelegt“, man wolle „mit Gewalt etwas konstruieren“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.05.2011)

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