Verschwörungstheorie um verlorene Bawag-Gelder

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Wo sind die Millionen? Bereicherung höchst unwahrscheinlich.

WIEN. Und ewig lockt dieselbe Frage: Wo sind die Bawag-Millionen? Sie sind weg. Verspekuliert. „Verspielt“, wie der Staatsanwalt meint. Bei den Geschäften des angeklagten Investmentbankers Wolfgang Flöttl handelte es sich vielfach um Swaps (vergleichbar mit Wetten: ein Vertragspartner setzt etwa auf steigenden, der andere auf fallenden Yen). So gesehen ist einzuschränken: „Weg“ im Sinne von „verschwunden“ ist das Geld freilich nicht. Aber es ist weg von der Bawag. Und wohl auch weg von Flöttl.

Tag 64 des Bawag-Prozesses: Der Tag ist für Gerichtsgutachter Fritz Kleiner reserviert. Wieder tauchen diese Fragen auf: Wurden wirklich 1,4 Milliarden Euro, Geld der Bawag, verspekuliert? So lange das Verfahren auch dauert, so hartnäckig halten sich Gerüchte, Flöttl oder etwa der Hauptangeklagte, Ex-Bawag-Chef Elsner, hätten Geld beiseite geschafft. Erstens gibt es dafür keine Anhaltspunkte. Zweitens ist dies gar nicht angeklagt. Angeklagt ist das Delikt „Untreue“, es beinhaltet wissentlichen Befugnis-Missbrauch und Schädigungsvorsatz – nicht aber Bereicherung. Drittens: Die beiden Genannten haben stets nachdrücklich erklärt, sich nicht bereichert zu haben.

Und trotzdem geistern Verschwörungstheorien herum. Dies mag auch am Fehlen eines „Negativbeweises“ liegen: Nein, es ist nicht hundertprozentig und zweifelsfrei nachgewiesen, dass nie ein einziger Cent abgezweigt wurde. Aber auch Gutachter Kleiner geht davon aus, dass das Geld schlicht verspekuliert wurde. Flöttl habe eben mehrfach aufs falsche Pferd gesetzt, sodass die jeweiligen Handelspartner die „Wetten“ gewinnen konnten.

„Am System vorbei...“

Fix ist: Flöttl wickelte seine Trades über die weltweit größten Brokerhäuser/Banken wie etwa Goldmann Sachs, Morgan Stanley, Lehman Brothers, Deutsche Bank etc. ab. Kleiner: „Die Brokerhäuser mussten Kunden finden, die dagegen halten.“ Das geschah. Doch, so Kleiner: „In der Finanzwelt sehen sie ihre Gegenspieler nicht.“

Die Geschäfte selbst würden jedenfalls im elektronischen System des Brokerhauses ausgewiesen. „Wenn nun die Verschwörungstheorie Sinn machen soll“, so Kleiner, „dann nur wenn die Wette des Partners nicht zum Brokerhaus geht, sondern außerhalb des Systems läuft“. – „Der Partner müsste sagen: ,Ich handle mit Flöttl und schließe die Brokerhäuser aus.‘“

Erst richtig Sinn macht diese Verschwörungstheorie, wenn man zu Grunde legt, dass Flöttl (über Strohmänner) mit sich selber handelte. Kleiner: „Die Idee ist mir auch schon gekommen.“ Allein: Es gebe keinerlei Hinweise darauf.

Auch „Audits“ (Revisionen) des (mittlerweile zerschlagenen) US-Prüfungs-Unternehmens Arthur Andersen weisen aus, dass Flöttl 1998 und 2000 die eingesetzten Gelder tatsächlich verloren habe. Nur die Rechnungslegung der Flöttl-Firmen sei laut Kleiner mit „minimal bis mäßig“ eingestuft worden. Dazu Kleiner (er stammt aus Graz): „Auf Steirisch übersetzt heißt das: ein Saustall.“

Elsner erklärt, auch ihm sei es wichtig gewesen, Verlust-Bestätigungen zu bekommen. So habe er die Audits begrüßt. Was er nicht gewusst haben will: Andersen war nicht irgendeine Prüf-Gesellschaft. Sie war Wirtschaftsprüferin und Beraterin von Wolfgang Flöttl.

AUF EINEN BLICK

Am Freitag, es war der 64. Verhandlungstag des Bawag-Prozesses, nahm der Gerichtsgutachter, der Grazer Wirtschaftsprüfer Fritz Kleiner, auch zu Verschwörungstheorien rund um den Verbleib der Bawag-Gelder Stellung: Hinweise auf Bereicherung gebe es nicht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.02.2008)


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