Die Finanzminister der Eurozone überlegen, ob beziehungsweise wie dem überschuldeten Inselstaat geholfen werden könnte. Entschieden wird aber frühestens im März.
Brüssel. Nach dem Nervenkitzel der vergangenen Woche – Stichwort nächtlicher Verhandlungsmarathon beim Brüsseler Budgetgipfel – liest sich die Tagesordnung für das heutige Treffen der EU-Finanz- und Wirtschaftsminister (Ecofin) schaumgebremst: Auf der Agenda stehen unter anderem so aufregende Punkte wie die Entlastung des Haushaltsplans 2011 oder die Budgetleitlinien des Rates für das laufende Jahr. Und auch das gestrige Treffen der Finanzminister der Eurozone, das am Vorabend des Ecofin stattfindet, verlief in relativ ruhigen Bahnen.
Dass diese Bahnen aber nur relativ ruhig waren, haben die Euro-Ressortchefs einem Mitglied zu verdanken, das gerade einmal 0,15 Prozent zur Wirtschaftsleistung der Eurozone beiträgt: Zypern. Ein in Schieflage geratener Finanzsektor, der an das Achtfache der Wirtschaftsleistung heranreicht, droht den Inselstaat in die Tiefe zu reißen, falls Europa nicht rettend einspringt. Der Umfang des unmittelbar benötigten Hilfspakets wird auf rund 17 Milliarden Euro geschätzt, was in etwa dem jährlichen zyprischen BIP entspricht – davon sollen zehn Milliarden direkt in den Bankensektor und der Rest in den Staatshaushalt fließen.
Einen Hilfsantrag beim Europäischen Finanz-Rettungsschirm ESM in der Höhe von 17,5 Mrd. Euro hat die Regierung in Nikosia bereits im Sommer 2012 gestellt. Dass die Angelegenheit frühestens im März entschieden wird, hängt mit zwei Faktoren zusammen: Erstens wird in Zypern am kommenden Sonntag der Präsident gewählt – nachdem Amtsinhaber Demetris Christofias (siehe rechts), der die europäischen Hilfsgelder am liebsten ohne Bedingungen hätte, nicht mehr antreten darf, wollen die EU-Partner die neue Regierungsmannschaft abwarten, bevor sie (eventuell) zur Tat schreiten.
Bankfiliale der Oligarchen
Schwerer wiegt allerdings der zweite Faktor: Zypern gilt als ausgelagerte Bankfiliale der russischen Oligarchen, die dort – so der unschöne Verdacht – ihre Vermögen weißwaschen. Für die engen Bande zwischen Nikosia und Moskau spricht die Tatsache, dass Russland 2012 mit einem Kredit von 2,5 Mrd. Euro einsprang. Überspitzt formuliert lautet das Argument der Gegner einer Hilfe für Zypern wie folgt: Warum sollen europäische Steuerzahler mit ihrem Geld russische Millionäre retten?
Die Frage nach dem Warum ist schnell beantwortet: Nach Ansicht so gut wie aller Experten ist Zypern trotz seiner Kleinheit systemrelevant – unter anderem, weil die (ohnehin geschwächten) griechischen Banken rund 15 Mrd. Euro Forderungen gegenüber Zypern in ihren Büchern haben. Sollte die Insel also krachen, dürfte die griechische Krise wieder voll ausbrechen. Und daran dürfte Deutschland, das stellvertretend für die Sorgen aller Steuerzahler steht, kein Interesse haben.
Verluste für Kontoinhaber?
Nichtsdestoweniger dürfte es für Nikosia keinen Blankoscheck geben – die bisherigen Geldgeber Zyperns werden wohl in der einen oder anderen Form zum Handkuss kommen. Wie die „Financial Times“ am Montag aus einem Memorandum der EU-Kommission zitierte, werden derzeit mehrere Optionen erörtert, die von einem Haircut (Abschlag auf den Wert) bei zyprischen Anleihen bis hin zu einer Beteiligung bestimmter (vor allem ausländischer) Kontoinhaber reichen.
Letztere Option würde wohl hauptsächlich die russischen Bankkunden treffen und ließe sich daher politisch leichter verkaufen, wird aber laut „Financial Times“ von den Verfassern als zu riskant abgelehnt – weil sie einen Sturm der Bankkunden in ganz Südeuropa auslösen könnte. Die EU-Kommission hüllte sich gestern jedenfalls in Schweigen: „Es gibt von unserer Seite keinen offiziellen Vorschlag, der diesen Medienberichten entsprechen würde“, so ein Sprecher der Behörde. Nachsatz: Man arbeite daran, die Lasten einer Hilfe „fair“ zu verteilen.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.02.2013)