496 Abgeordnete stimmten für die Griechenland-Hilfe, 90 dagegen. Die Regierung schaffte keine eigene Mehrheit und war auf die Stimmen der Opposition angewiesen. Das Unbehagen über ein „Fass ohne Boden“ wächst.
Berlin/Gau. Einen Tag vor der Abstimmung im Bundestag über das neue Griechenland-Paket sorgte CSU-Innenminister Hans-Peter Friedrich noch einmal gehörig für Aufregung: Er legte den Griechen den Austritt aus der Eurozone nahe. Mehr hatte es nicht gebraucht: Die SPD höhnte über ein „Stück aus dem Tollhaus“, das die Regierung abliefere. Die Grünen riefen nach einem Machtwort von Bundeskanzlerin Angela Merkel. Am Montag fraß Friedrich schon wieder Kreide: Er zweifle überhaupt nicht am Rettungskurs der Kanzlerin und werde natürlich mit Ja stimmen.
Doch die Episode zeigt, wie weit das Misstrauen gegenüber dem 130-Milliarden-Hilfspaket in der deutschen Regierung mittlerweile gediehen ist. Zuletzt häuften sich vor allem in der bayerischen CSU die kritischen Stimmen gegen den Beschluss der Euro-Finanzminister. Die „Süddeutsche“ legte gestern noch nach: Nach ihren Informationen glauben auch Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) und selbst Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) nicht mehr an den Erfolg der bisherigen Strategie zur Krisenbewältigung. Sie befänden sich in großer Gesellschaft: 62 Prozent der Deutschen lehnen laut aktueller Umfrage weitere Hilfen ab.
17 Rebellen aus der Koalition
Im Parlament aber fand sich einmal mehr eine breite Mehrheit: 496 Abgeordnete stimmten für das Programm, nur 90 dagegen. Denn die Koalition konnte mit den Stimmen der SPD und der Grünen rechnen. Die bange Frage aber war, wie viele Abweichler es in den eigenen Reihen gibt. Tatsächlich schaffte es die Regierung erstmals nicht, eine eigene „Kanzlerinnenmehrheit“ für ein Gesetz zur Euro-Rettung auf die Beine zu stellen.
Das ist vorerst nur ein Symbol, aber eines, das für große Unruhe sorgt. 13 Rebellen aus der Union und vier aus der FDP stimmten, vereint mit den „Linken“, gegen das Gesetz. Dazu kamen drei Enthaltungen aus dem Regierungslager. Ist Griechenland mit dem Grünen Licht aus Deutschland gerettet? Selbst Schäuble gestand in seinem Rundschreiben an alle Abgeordneten ein, dass ein drittes Programm nötig sein kann. Denn das derzeitige läuft 2015 aus. Dann sollte Griechenland wieder an die Finanzmärkte zurückkehren, und das halten die meisten Experten für ausgeschlossen.
Doch Schäuble kämpft an zwei Fronten. Während der Widerstand zu Hause wächst, drängen die G20 und der Internationale Währungsfonds auf höhere Euro-Brandmauern. Schwellenländer und IWF machen ihren Beitrag vom Engagement der Europäer abhängig. Und der Druck zeigt Wirkung: Beim G20-Treffen in Mexiko am Wochenende rückte Schäuble von seinem kategorischen Nein zu einer Ausweitung des eben erst beschlossenen neuen Rettungsschirms ESM ab: Darüber soll Ende März entschieden werden.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.02.2012)