Die spanischen Banken erweisen sich als neues „Fass ohne Boden“. Die Regierung will zur Bankenrettung frische Schulden machen. Dem Land droht das Schicksal Griechenlands.
Wien/Madrid/Ag./Jil. Spaniens Bankenkrise eskaliert und ist auf dem besten Weg, den Staatshaushalt zu sprengen. Denn die (bereits zuvor teilverstaatlichte) Bankia ist nicht das einzige Problem für die Regierung in Madrid. Bankia allein dürfte in Summe bis zu 23 Mrd. Euro an Staatsgeldern benötigen – das entspricht zwei Prozent des spanischen Bruttoinlandsprodukts und würde die Schuldenquote des Landes über 80 Prozent des BIPs steigen lassen.
Allerdings geht die Tageszeitung „El Mundo“ davon aus, dass die Institute Novogalicia, Catalunya Caixa und Banco de Valencia weitere 30 Mrd. Euro an Staatshilfen benötigen werden. Manche Analysten beziffern den Kapitalbedarf des spanischen Bankensektors mit bis zu 150 Mrd. Euro. Und auch einige Regionen (allen voran Katalonien) drohen unter den eigenen Schulden zu ersticken – und könnten Hilfe von der Zentralregierung benötigen.
Abenteuerlicher Trick
Trotz dieser unerfreulichen Nachrichten zeigt sich Spaniens Premierminister Mariano Rajoy überzeugt, dass sein Land und dessen Banken ohne EU-Hilfen auskommen werden. Zumindest offiziell. Madrider Regierungskreisen zufolge will Spanien seinen Banken mithilfe eines Hütchenspielertricks helfen: Das überschuldete Land will Bankaktien mit seinen eigenen Schulden „kaufen“.
Anders gesagt: Spanien verschuldet sich trotz Sparkurses immer schneller, und Bankia erhält Staatsanleihen, die sie dann bei der EZB als Sicherheiten für frische Kredite hinterlegen kann. So würden die EU-Partner über den Umweg der EZB an der Stützung der spanischen Banken beteiligt. Allerdings: Die Beteuerung Rajoys, Spanien würde nicht unter den „Rettungsschirm“ schlüpfen müssen, werden auf den Märkten kaum erst genommen. Die Renditen auf zehnjährige spanische Anleihen stiegen am Dienstag auf bis zu 6,76 Prozent. Damit haben sich die Refinanzierungskosten für Spanien seit Anfang April um mehr als einen Prozentpunkt verteuert.
„Schmerzgrenze“ bald erreicht
So hohe Zinsen musste Spanien zuletzt im Winter 2011 zahlen – bevor die EZB den europäischen Banken eine Geldspritze von rund einer Billion Euro verpasste. Eine Rendite von sieben Prozent gilt als Schmerzgrenze. Das war der Punkt, an dem Irland, Portugal und Griechenland unter den Rettungsschirm mussten – und auch deren Regierungen beteuerten bis zuletzt, dass sie den Rettungsschirm „niemals“ benötigen würden. Das Beispiel Griechenland zeigt allerdings: Auch eine „Rettung“ muss nicht funktionieren. So haben die griechischen Banken zwar am Montag 18 Mrd. Euro vom Rettungsschirm EFSF erhalten. Aber: „Es steht zu befürchten, dass dieses Geld binnen Tagen von den griechischen Sparern abgezogen und außer Landes geschafft wird“, heißt es in einer Analyse von Raiffeisen. Die Hilfsgelder seien ein „Tropfen auf den heißen Stein“.
Auch Spaniens Ministerpräsident Mariano Rajoy kann die Märkte nicht beruhigen. Rajoy versuchte zuletzt vergeblich, die Aufmerksamkeit der Medien per Fingerzeig wieder zurück auf Griechenland zu lenken. Und auch eine Verbindung zwischen europäischer Schulden- und Eurokrise stellte Rajoy ohne Not her, als er sagte: „Es muss klargestellt werden, dass der Euro ein unumkehrbares Projekt ist.“
Schweiz bunkert sich ein
In der Schweiz, einer traditionellen Fluchtburg, ist diese Botschaft nicht angekommen. Dort bereitet man sich auf einen Zerfall der Eurozone vor. „Wir müssen uns auf den schlimmsten Fall vorbereiten, dass die Währungsunion auseinanderbricht, auch wenn ich das nicht erwarte“, sagte Notenbank-Chef Thomas Jordan zur „Sonntagszeitung“. Eine dramatische Aufwertung des Franken im Falle eines Euro-Zerfalls soll mit Kapitalverkehrskontrollen verhindert werden.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.05.2012)