Konjunktureller Wettersturz

(c) AP (Kaia Larsen)
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Das Wirtschaftswachstum hat sich im zweiten Quartal 2008 auf 0,4 Prozent eingebremst. Bis 2009 rechnen Nationalbank und Wirtschafts-Forscher mit einem leicht abgeschwächten Wachstum.

Wien. Österreichs Industrie überraschte die Öffentlichkeit am gestrigen Dienstag mit höchst unerfreulichen Neuigkeiten. Die Auftragseingänge der Industrie sind von April bis Juni deutlich eingebrochen, vor allem jene aus dem Ausland. Das Konjunkturbarometer, das die Industriellenvereinigung (IV) quartalsweise erstellt, zeigt die kräftigste Abschwächung seit dem dritten Quartal 2001, das von den Terrorschlägen auf New York geprägt war. Die heimische Industrie beurteilt ihre Ertragsaussichten auch deutlich schlechter als noch vor einem Vierteljahr.

1. Was heißt das nun für die österreichische Konjunktur?Fest steht, dass der „Bilderbuchkonjunktur“ der Jahre 2006 und 2007 ein jähes Ende gesetzt wurde. Laut Schätzungen der Österreichischen Nationalbank (OeNB) hat sich das Wachstum im zweiten Quartal gegenüber den ersten drei Monaten auf 0,4 Prozent halbiert. Im Jahresvergleich ist die Wirtschaft aber immer noch mit 2,4 Prozent gewachsen.

2. Was sind die Auslöser für das schwächere Wachstum?Auslöser sind vor allem vier Faktoren: Erstens die US-Finanzkrise und ihre Folgen auf die Konjunktur jener Länder, die stark im Immobilienmarkt der USA investiert sind. Zweitens der Höhenflug des Euro gegenüber dem US-Dollar und die damit schwindenden Chancen der EU-Exportwirtschaft. Drittens die massiv gestiegenen Öl- und Rohstoffkosten, die offenbar nicht mehr zur Gänze in den Preisen unterzubringen sind. Viertens die hausgemachte Inflation.

3. Stehen wir bereits am Rande einer Rezession?Nein. In Österreich und Deutschland droht heuer und auch kommendes Jahr kein Schrumpfen der Wirtschaftsleistung. „Ein Einser vor dem Komma wird sich auch 2009 ausgehen“, meint IV-Generalsekretär Markus Beyrer.

Die OeNB rechnet damit, dass die österreichische Wirtschaft in eine Phase „unterdurchschnittlichen“ Wachstums eintreten werde, die voraussichtlich auch noch bis in das kommende Jahr hineinreichen werde. Das Wifo rechnet für 2009 mit einem Wirtschaftswachstum in der Gegend von 1,4 Prozent, das IHS geht von einem Wachstum von 1,9 Prozent aus. Heuer sollen es knapp über zwei Prozent werden.

4. Wo liegen derzeit die größten Gefahren?Derzeit weiß niemand so recht, wie sehr die europäischen Banken wirklich in die US-Immobilienkrise verstrickt sind. Das gilt nicht zuletzt auch für jene österreichischen Institute, die eine starke Beteiligung seit Monaten in Abrede stellen.

Die größte Aufmerksamkeit der heimischen Wirtschaft gilt derzeit aber den Exportmärkten. Sorgen bereitet den österreichischen Unternehmen insbesondere Italien, das am Rande einer Rezession steht. Extrem schwache Wachstumsraten gibt es auch in Dänemark, Spanien, Irland und Großbritannien, wofür teilweise die Immobilienkrise verantwortlich ist.

Die USA stehen laut IV-Chefökonom Christian Helmenstein „am Rande des konjunkturellen Abgrunds“. Aber sie stürzen seiner Einschätzung nach nicht ab, weil die US-Notenbank mit billigem Geld und die US-Regierung mit Steuergutschriften für die Bevölkerung gegensteuern. Der Preis dafür ist die hohe Inflation.

5. Ist die Abschwächung auch auf dem Arbeitsmarkt zu sehen?Auf dem heimischen Arbeitsmarkt ist von einem drohenden Abschwung weit und breit nichts zu sehen. Im Gegenteil: Die Arbeitslosenrate ist im Juni auf den Tiefstwert von 4,1 Prozent gefallen. Das ist insofern nicht erstaunlich, als der Arbeitsmarkt der Konjunktur mit einer Verzögerung von knapp einem halben Jahr folgt. Steigende Arbeitslosenzahlen sind gegen Jahresende zu erwarten.

6. Können Nationalstaaten die Abschwächung verhindern?Nein. Die Nationalstaaten werden mit steigenden Ausgaben und höheren Defiziten auf die Abschwächung der Konjunktur reagieren. Gelöst werden kann das Problem dadurch nicht. Frühestens wenn sich die letzten Wellen der globalen Finanzkrise gelegt haben und Energie wieder günstiger wird, ist die konjunkturelle Schwächephase ausgestanden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.07.2008)


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