Die vielen Lebenslügen des Euro

GERMANY EUROPE
GERMANY EUROPE(c) EPA (Karl-josef Hildenbrand)
  • Drucken

Die Geschichte des Euro ist geprägt von Geburtsfehlern und Sündenfällen. Auch in Zukunft drohen Gefahren: Das Nord-Süd-Gefälle wird immer größer.

Mit dem Euro erkaufte sich Deutschland die französische Zustimmung zur Wiedervereinigung, wie "DiePresse.com" unter dem Titel "Das Ende der deutschen Atombombe" berichtete. Dass die Geburt folglich keine unproblematische war, ist ein Mitgrund für die aktuelle Euro-Krise. Noch immer leidet die EU unter den vielen Geburtsfehlern: Die Euro-Zone hat eine gemeinsame Geldpolitik, aber keine gemeinsame Finanz- und Steuerpolitik. Somit liegt die Schuldenpolitik weiterhin in den Händen der einzelnen nationalen Staaten.

"Maastricht war die erste Lebenslüge"

"Während die Währungsunion rasch Wirklichkeit wurde, kam die politische Integration Europas, wenn überhaupt, nur in Minischritten voran", schreibt "Der Spiegel" in "Das letzte Gefecht: Wie Europa seine Währung ruiniert" - obwohl Deutschland darauf drängte. Das lag einerseits daran, dass die in die EU drängenden osteuropäischen Staaten ihre gerade erst gewonnene Souveränität nicht gleich wieder in Brüssel abgeben wollten. "Aber auch in Westeuropa fanden die deutschen Vorstellungen wenig Gegenliebe. Weder Engländer noch Franzosen konnten sich für die Idee erwärmen, einen europäischen Bundesstaat mit einem eigenen starken Parlament zu schaffen".

Zumindest wurde damals ein Stabilitätspakt abgeschlossen (auch bekannt als die Maastricht-Kritierien), um das Ausufern nationaler Schulden zu verhindern. Diese Kriterien sehen vor, dass das Haushaltsdefizit von Euro-Staaten drei Prozent und die Schulden 60 Prozent des Bruttoinlandprodukts nicht überschreiten dürfen. "Tatsächlich war der Maastricht-Vertrag die erste Lebenslüge der Währungsunion", urteilt "Der Spiegel". Und auch die Aufnahme Italiens sei ein Sündenfall gewesen: "Seither war klar, dass über den Beitritt zum Euro nicht wirtschaftliche Kriterien entscheiden, sondern das Ränkespiel der europäischen Politik".

Dann trickste sich auch noch Griechenland mit geschönten Statistiken - und offenbar unter Mithilfe des damaligen deutschen Finanzministers Hans Eichel - in die Euro-Zone. Schließlich waren es auch die beiden größten europäischen Volkswirtschaften Deutschland und Frankreich, die den letzten Tabubruch vollzogen. Sie verstießen mehrere Jahre in Folge gegen die Kriterien des Stabilitätspakts und öffneten damit den anderen Euro-Ländern Tür und Tor.

Ungleichgewichte in der EU werden größer

Das Verbot, für die Schulden anderer Staaten einzustehen (No-Bail-Out), hatte im Ernstfall auch keinen Bestand. Mit dem Aufspannen des Euro-Rettungsschirms umgehen die Staaten die Regel, dass niemand anderen aus einer Schuldensituation heraushelfen darf.

Ein weiterer Geburtsfehler dürfte zum Hauptproblem der nächsten Jahre werden. Die Volkswirtschaften der Euro-Länder funktionieren nur theoretisch im Gleichtakt. Denn in Wirklichkeit hat sich die Wettbewerbsfähigkeit der Länder unterschiedlich entwickelt. Während die Länder des Südens - Griechenland, Portugal und Spanien - wirtschaftlich einfach nicht mithalten können, müssen Überschuss-Volkswirtschaften wie Deutschland bereits Anreize für die Binnennachfrage schaffen. So soll ihr Wachstum nicht so stark wie bisher vom Export und damit von den Schwankungen der Weltwirtschaft abhängig sein.

Europäische Union als Transfer-Union

Commerzbank-Ökonom Christoph Weil bringt das auf den Punkt. "Die Euro-Zone hat ein Problem: Deutschland läuft allen anderen davon, ist wirtschaftlich stabiler als der Rest. Die Spannungen innerhalb des Euro-Raums werden damit immer höher", sagt Weil. "Auf Dauer hält das eine Währungsunion nicht durch", warnt er deshalb.

Der Ökonom ist pessimistisch: "Man muss sich langfristig überlegen, wie man der Krise Herr werden will. Am Ende bleibt dann vermutlich doch nur die Transferunion als Lösung". Egal auf welchem Weg die hoch verschuldeten Länder Hilfe erhielten, zahlen müssten wohl die Deutschen - zusammen mit den Niederländern und den Österreichern, eventuell auch den Franzosen.

Zweiter Anlauf für Stabilitätspakt

Der deutsche Ökonom Thomas Straubhaar hält den von EU-Kommission, EZB und den nationalen Regierungen eingeschlagenen Weg in einem Essay in der "Welt" für vernünftig. In einem ersten Schritt werde durch den Rettungsschirm den Spekulanten das Wasser abgegraben. In einem zweiten Schritt müssten die Gläubiger auf einen Teil ihrer Forderungen verzichten. Denn so könnten die hoch verschuldeten Staaten langsam ihre Haushalte sanieren.

"Diese Zeit müsste genutzt werden, um einen zweiten Anlauf zu nehmen und einen griffigen Stabilitäts- und Wachstumspakt zu verabschieden, der die Fehler des ersten Versuchs beseitigt und glaubwürdige Sanktionen für Sünder beinhaltet", sagt Straubhaar.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.