Egon Matzner: Kreiskys vergessener Ökonom

Egon Matzners Kreiskys vergessener
Egon Matzners Kreiskys vergessener(c) APA (Harald Schneider)
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Er half, die SPÖ zu modernisieren, ehe er in Vergessenheit geriet. Dabei hätte die Partei im Umgang mit der Finanzkrise viel von ihm lernen können.

Der ehemalige ÖVP-Vizekanzler Erhard Busek bezeichnete Egon Matzner als "Unruhestifter im besten Sinne des Wortes". Dennoch erlitt der 1938 geborene und 2003 verstorbene Ökonom ein typisch österreichisches Schicksal: Er war einer jener Propheten, die im eigenen Land nichts zählen.

Obwohl Matzner 1978 maßgeblich an Bruno Kreiskys Programm zur Modernisierung der Sozialdemokratie beteiligt war, wurde er von seinen Erben rasch vergessen. Dabei hätten sie durchaus auf ihn hören können. Denn Matzner warnte bereits Jahre vor Ausbruch der Wirtschaftskrise vor dem "schlafenden Vulkan" der unregulierten Finanzmärkte und forderte die Schaffung einer "World Financial Authority", wie Patrick Horvath, Mitarbeiter der Arbeitsgemeinschaft für wissenschaftliche Wirtschaftspolitik, jüngst in der "Furche" schrieb.

"Platz zwischen den Stühlen ist ein Ehrenplatz"

Im Alter von 25 Jahren war Matzner Augenzeuge, als Martin Luther King 1963 seine berühmte Rede "I have a dream" in Washington, D.C., hielt. Matzners Traum war es, die Welt zum Positiven zu verändern, wie es in einem Ö1-Radiobeitrag heißt. Dabei stand er sich vielleicht manchmal selbst im Weg, denn er war unbequem.

Er hielt nichts von Seilschaften und parteipolitischem Kadavergehorsam. Er ließ sich nicht vereinnahmen und hielt zur politischen Macht stets Distanz. Dem Verlangen nach mehr Loyalität begegnete er mit dem Spruch: Nur tote Fische schwimmen mit dem Strom". Er selbst nahm seine Situation jedenfalls mit Humor: "Der Platz zwischen allen Stühlen ist ein Ehrenplatz".

"Großes Reich und autonome Republik"

Das Verhältnis zum legendären SPÖ-Kanzler Kreisky beschrieb der Ökonom einmal als eines "des großen Reiches, Bruno Kreisky, mit der kleinen autonomen Republik, Egon Matzner". Obwohl von Kreisky gefördert, gab Matzner nie seine intellektuelle Autonomie auf. Er äußerte sich in der Öffentlichkeit mitunter kritisch.

(c) Czernin Verlag

"Wenn man ihm die Hand gibt, beißt er hinein", sagte so Kreisky wenig verwunderlich auch einmal über Matzner. Der geplante Bau des Atomkraftwerks in Zwentendorf mündete schließlich im Bruch der beiden Männer. Der Ökonom war zwar kein prinzipieller Atomkraft-Gegner, aber er kritisierte Unzulänglichkeiten in der Argumentation der Befürworter. Damit manövrierte er sich letztlich auch ins politische Abseits. 1995 legte er seine SPÖ-Mitgliedschaft still. Nicht er habe die Partei verlassen, sondern sie ihn, argumentierte er. Er empfand sich seitdem als "autonomer Sozialist".

"Er sucht den Dialog, nicht die Belehrung"

Gernot Grabher, einer der "Schüler" von Matzner, schrieb in einen Nachruf über seinen Lehrer: "In seinem Engagement kümmerte er sich nicht um die Standardkriterien wissenschaftlicher Erfolgsmetrik, wie etwa Aufsätze in referierten Journalen. Erfolg bemaß sich für ihn vielmehr an der Nachhaltigkeit der Impulse, die von seinen Pressekonferenzen, Zeitungsartikel und unzähligen persönlichen Gesprächen ausgingen. Er suchte den Dialog, nicht die Belehrung".

Es ging ihm nicht um die Sache, es ging ihm um die Menschen, so Grabher: "Als ich den englischen Umschlagstext für unsere gemeinsame Publikation redigierte, las ich den Begriff 'humane' zum ersten mal in einem wirtschaftswissenschaftlichen Text".

Sozialdemokratie: "Exodus ans rechte Ufer"

Matzner kämpfte gegen die widerstandlose Akzeptanz des "Washington Konsenses" (monetäre Stabilisierung, Deregulierung und Privatisierung). Dabei zeigte er sich von der durch Blair und Schröder geprägten Sozialdemokratie enttäuscht. Diese habe dem Neoliberalismus nichts entgegenzusetzen. Er stellte einen "Exodus ans rechte Ufer" fest. In der im November 2010 erschienenen Biografie "Egon Matzner - Querdenker für eine andere Welt", wird Matzner kurz vor seinem Tod damit zitiert, dass "nach der hemmungslosen Privatisierungsideologie eine Ära folgen wird, in der die massenhaft entstandenen und entstehenden Schäden Gegenstand der Politik werden".

Seine wichtigste Aufgabe habe Matzner aber in seiner Arbeit mit der "Agenda"-Gruppe erbracht, sagt sein ehemaliger Mitarbeiter Kurt Bayer in einem Blog-Beitrag. Diese habe sich gegen die "Schocktherapie" (des US-Ökonomen Jeffrey Sachs) für den Übergang der ex-kommunistischen Länder zur Marktwirtschaft gewehrt. Matzner hätte dargestellt, "dass die mit der Schocktherapie verknüpfte Zerstörung der bestehenden Institutionen unweigerlich zum nunmehr - vor allem in Russland - eingetretenen Raubkapitalismus führen muss, zur immensen Verschleuderung von Volksvermögen, zur Bereicherung weniger und Verarmung der vielen".

Politische Karrieren nahmen Anfang bei Matzner

Der erst kürzlich verstorbene österreichische Nationalökonom Kurt Rothschild war sein Mentor. Rothschild holte ihn 1967 an die ein Jahr zuvor gegründete Johannes-Kepler-Universität Linz - übrigens gemeinsam mit Ewald Nowotny, seinem Mitbewerber um die Habilitation.

Auch politische Karrieren nahmen ihren Anfang in Auseinandersetzungen mit Positionen Matzners, wie Wilfried Schönbäck, der damalige Vorstand des Instituts für Finanzwissenschaft und Infrastrukturpolitik der TU Wien, schreibt. So verfasste SP-Stadtrat Rudolf Schicker seine Diplomarbeit bei Matzner. Ein Teilnehmer seiner Seminare war auch Herbert Paierl, der spätere steirische Wirtschafts- und Finanzlandesrat.

"Nachdenker der SPÖ"

Matzner war seitens der SPÖ mehrmals als möglicher Träger eines hohen politischen Amts im Gespräch. "Dass ein solcher Ruf letztlich ausblieb, mag ihn beschäftigt haben. Dass er ihn abgelehnt hätte, ist nicht unwahrscheinlich", schreibt Schönbäck.

Matzners Verhältnis zur SPÖ war - wie bereits ausgeführt - zwiespältig. Bei einer Veranstaltung Mitte Jänner 2011 sagte Matzners Witwe Gabriele Matzner-Holzer, dass sich ihr Mann niemals als Vordenker der SPÖ gesehen habe. Dazu sei er zu autonom gewesen. Wenn schon, dann sei er so etwas wie der "Nachdenker der SPÖ gewesen".

Literaturhinweis:

Matzner-Holzer, Gabriele: Egon Matzner - Querdenker für eine andere Welt. Czernin Verlag, 2010.

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