Der beste Fußballmanager, Mittelständler, moralische Instanz: Uli Hoeneß galt als leuchtendes Vorbild. Doch Medienberichte degradieren den Präsidenten des FC Bayern zum Steuersünder der Nation.
Berlin. Die Welt ist alles, was der Ball ist – und noch viel mehr. Uli Hoeneß hat es zu Ruhm gebracht, weit über die Sphäre des Sports hinaus. Er verwandelte seinen FC Bayern zu einem der wirtschaftlich erfolgreichsten Klubs der Welt und bekehrte als fleißiger Fabrikant sogar die Klientel von McDonald's zu Nürnberger Rostbratwürstchen.
Doch zur Kultfigur mutierte der Vereinspräsident erst in der letzten Zeit: als Star der Talkshows, der Erfolg, ehrliche Worte und Sorge ums Gemeinwohl unter einen Hut bringt. „Wenn er den Mund aufmacht, hört Deutschland zu“, staunte die „Bild“. „Taugt er als Vorbild für ein ganzes Land?“, fragte „Der Spiegel“ – und lieferte die Antwort in einem Jubelartikel mit.
Vorbei und vergessen. Am Wochenende stürzte das Denkmal des guten reichen Mannes mit lautem Getöse ein. „Focus“ und die Münchner „Abendzeitung“ stempelten den Promi zum Steuerhinterzieher großen Stils. So viel steht fest: Hoeneß zeigte sich im Jänner selbst an. Er hat zehn Jahre lang nicht ordnungsgemäß versteuerte Gelder bei der Schweizer Bank Vontobel deponiert. Seine späte Einsicht erklärt er damit, dass er bis zuletzt auf das deutsch-schweizerische Steuerabkommen hoffte. Wäre der Deal in Kraft getreten, hätte er zwar nachzahlen müssen, wäre aber vor Verfolgung und Bloßstellung geschützt gewesen. Doch der Bundesrat, die von Rot und Grün dominierte Länderkammer, torpedierte das Abkommen.
Schwarzgeld aus der Liga?
Von hier weg verliert sich die Causa in den Dämpfen der Gerüchteküche. Die Rede ist von einer Hausdurchsuchung in der Familienvilla am Tegernsee im März. Das ist unüblich bei Selbstanzeigen, denn der reuige Steuersünder genießt Vertrauensschutz, es sei denn, seine Angaben sind widersprüchlich oder offensichtlich lückenhaft. Um welche Beträge geht es? Zwei Zeitungen nennen eine Abschlagszahlung von fünf oder sechs Mio. Euro. Ist das die Einkommensteuer auf Gelder, die der Unternehmer am Fiskus vorbei in die Schweiz geschleust hat? Dann würde das Vermögen dahinter gut zehn Millionen betragen. So viel kann ein mittelständischer Wurstfabrikant ohne schmutzige Geschäfte erwirtschaften.
Die „Süddeutsche“ aber schwächt die Vorwürfe scheinbar ab – und macht sie dadurch erst richtig brisant: Es gehe um versteuerte Gelder, nur die in der Schweiz erzielten Zinserträge habe Hoeneß nicht deklariert. Dann aber müsste man die Nachzahlung auf ein weit höheres Vermögen hochrechnen. Dazu passt ein seltsam vager Artikel, der im „Stern“ im Jänner erschienen ist – ziemlich zeitgleich mit der Selbstanzeige. Darin geht es um ein „geheimes Fußballkonto“, auf dem „ein Spitzenvertreter der Bundesliga“ eine halbe Milliarde bei Vontobel gebunkert habe. So spekulierend, stößt man in Dimensionen vor, die sich nur noch durch Schwarzgeld großen Stils in der Bundesliga erklären lassen.
Opposition reibt sich die Hände
Hoeneß, der große Redner, schweigt dazu. Vieles liege ihm „auf der Zunge“, aber in einem schwebenden Verfahren dürfe er nichts sagen. Nur so viel: Gegen „Exzesse in einigen Berichterstattungen“ will er sich mit seinen Anwälten zur Wehr setzen. Für eine „Münchner Zeitung“ werde das „richtig teuer“. Angela Merkel zeigt sich von ihrem Fan, den sie vor einigen Monaten im Kanzleramt empfing, „enttäuscht“. Für die Opposition ist die Causa ein gefundenes Fressen. Dass der CSU-Anhänger, der stets leidenschaftlich gegen Reichensteuern argumentierte, nun als Steuerhinterzieher dasteht, sehen SPD und Grüne als Beweis, wie richtig ihr Widerstand gegen das Schweiz-Abkommen gewesen sei. Dabei ist gar nicht sicher, ob Hoeneß unter diesem Regime mehr oder weniger zurückzahlen müsste als bei einer Selbstanzeige. Aber er stünde nicht am Pranger.
Die rot-grün regierten Bundesländer kaufen indes CDs mit gestohlenen Daten, um viele verängstigte Steuersünder zur Selbstanzeige zu bewegen. Freilich erinnert der Fall Hoeneß daran, dass ein solcher Canossagang nur dann von Strafen befreit, wenn sich der Täter zu diesem Zeitpunkt sicher wähnt. „Wenn ständig Bankdaten geklaut werden, muss ich irgendwann damit rechnen, selber dabei zu sein“, erklärte ein Steuerfahnder im ARD-„Morgenmagazin“. Falls Juristen das auch so sehen, führt sich die Taktik mit den Daten-CDs bald selbst ad absurdum.
Wie aber geht es mit Hoeneß weiter? Im besten Fall erweisen sich seine Anzeige als rechtzeitig und seine Angaben als korrekt. Dann wird das Verfahren gegen ihn eingestellt. Selbst wenn es so kommt, hat er seinem Image ein böses Eigentor geschossen. Im schlimmsten Fall drohen ihm bis zu zehn Jahre Haft – der endgültige Platzverweis für ein Idol in der Arena der Öffentlichkeit. Sport S.12
("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.04.2013)