Spionage: "Das war versuchter Firmenmord"

Spionage versuchter Firmenmord
Spionage versuchter Firmenmord(c) EPA
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Die US-Justiz geht nach einem Datenklau bei AMSC gegen die chinesische Firma Sinovel vor. Der Diebstahl fand durch einen AMSC-Mitarbeiter in Klagenfurt statt.

Wien. 1,6 Milliarden Dollar. Diese Summe entspricht dem Bußgeld, zu dem Sinovel – ein chinesischer Hersteller von Windkraftanlagen – maximal verurteilt werden könnte. Sinovel-Manager hatten im Jahr 2011 einen Mitarbeiter der österreichischen Tochter des US-Konzerns AMSC dazu gebracht, den Quellcode eines geschützten Programms zu kopieren und ihnen zu übergeben, „Die Presse“ berichtete mehrmals.

Der gebürtige Serbe wurde in Klagenfurt bereits rechtskräftig zu drei Jahren Haft verurteilt. Ungeklärt blieb bislang jedoch, was mit dem verursachten Schaden geschieht. Nach langem diplomatischen Tauziehen platzte den Amerikanern nun der Kragen und sie erhoben Anklage. Gegen Sinovel, zwei chinesische Manager und den Klagenfurter Mitarbeiter. Ihnen drohen je 35 Jahre Gefängnis.

Mit Spionage in ein neues Leben

Begonnen hatte alles im Frühjahr 2011. Dejan K. war Abteilungsleiter bei AMSC Windtec in Klagenfurt. Und er war unzufrieden. Mit seinem Arbeitgeber. Mit dem Leben in Klagenfurt, wo er sich kurz zuvor hatte scheiden lassen. Da kam das Angebot von Sinovel gerade recht. Ein gut bezahlter Job in China. Ein neues Leben. Einzige Voraussetzung: Den Quellcode für die Steuersoftware von AMSC sollte er zuvor noch kopieren und zum neuen Job mitbringen.

Denn nur mit diesem Quellcode konnte sich der zuvorige AMSC-Hauptkunde Sinovel teure Lizenzgebühren sparen. Die Sache war schnell erledigt. Die Daten abgeliefert. Doch es dauerte nicht lange, bis die Sache aufflog. AMSC-Mitarbeitern fiel in China auf, dass sich Windräder drehten, die sich eigentlich nicht drehen dürften. Als sie Nachschau hielten, war klar: Die Chinesen haben den geschützten Quellcode kopiert. Auch der Lieferant war schnell ausfindig gemacht. Dejan K. wurde bereits im Herbst 2011 verurteilt. Inzwischen ist er wieder auf freiem Fuß und lebt in Serbien.

Abseits davon gab es jedoch noch keine juristische Aufarbeitung – obwohl die Causa als einer der am besten dokumentierten Fälle von Industriespionage gilt. Sinovel brach sämtliche Geschäftsbeziehungen zu AMSC ab und stellte sich taub. Auch die chinesischen Behörden waren alles andere als kooperativ, obwohl die USA und auch europäische Länder Druck in der Sache ausübten.

Für AMSC waren die Folgen hingegen drastisch. Der Umsatz brach um 80 Prozent ein. Auch an der Börse stürzten die Aktien nach Bekanntwerden des Datenklaus ab und erholten sich seither nicht mehr (siehe Chart). Um die Existenz des Unternehmens zu retten, musste ein radikales Sparprogramm gefahren werden. Jeder zweite Mitarbeiter weltweit wurde abgebaut – auch in Klagenfurt musste von rund 200 Angestellten die Hälfte den Hut nehmen.

Verurteilungen verachtfacht

„Das war nichts anderes als ein versuchter Firmenmord“, schreibt der zuständige US-Staatsanwalt John Vaudreuil in seiner Anklageschrift, die der „Presse“ vorliegt. Und auch das FBI, das in der Sache ermittelt hatte, zeigt sich über diesen und ähnlich gelagerte Fälle erzürnt. „Seit 2008 haben wir unsere Festnahmen wegen Industriespionage bereits verdoppelt, die Anklagen sind um das Fünffache und die Verurteilungen um das Achtfache gestiegen“, so der stellvertretende Direktor Richard McFeely anlässlich der Sinovel-Anklage. Sinovel hat auf die Anklage auch bereits reagiert: Die Chinesen haben Aktivitäten in den USA beendet und Beteiligungen verkauft.

Inzwischen hat auch das chinesische Höchstgericht zugestimmt, den Fall einmal grundsätzlich anzuhören. Dann soll geklärt werden, ob sich auch in China ein Gericht damit beschäftigen wird. „Chinas Präsident Xi Jinping sagte jüngst, dass China auch die Rechte ausländischer Firmen respektiert. Unser Fall ist der perfekte Lackmustest dafür“, meinte dazu AMSC-Vizepräsident John Powell.

Spionage versuchter Firmenmord
Spionage versuchter Firmenmord(c) Die Presse / PW

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.08.2013)

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