Neuseeland: Die Kiwis auf dem Asien-Trip

(c) AP (Dick Veitch)
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Der frühere Bauernhof Großbritanniens hat sich zur Boomregion gemausert. Freier Handel mit China, Indien und den Tigerstaaten soll nun durch die Krise helfen.

Wien. Als Peter Dunne noch ein Kind war, stand er oft am Hafen und sah zu, wie geschlachtete Rinder und Lämmer, in der Mitte entzweigeschnitten, auf die Kühlschiffe nach England verladen wurden. Gefrierfleisch und Schafwolle für das Land der Königin: Damit hatte er bereits das komplette Geschäftsmodell Neuseelands verstanden. Heute ist er Kofinanzminister in einer Volkswirtschaft, die aus purer Not mit allen Traditionen gebrochen hat: „Es hat sich verdammt viel geändert.“

Die Abhängigkeit von Großbritannien war lange kein Nachteil. Sie sicherte einen unersättlichen Absatzmarkt, ideal für ein Land mit nur 4,3 Millionen Einwohnern, aber 55 Millionen Schafen. Als einziger Agrarstaat schaffte es Neuseeland so in die Liga der wohlhabendsten Nationen. Die Dankbarkeit war groß: „Auf den Straßen fuhren nur britische Autos; für die Generation meiner Eltern war England immer noch die Heimat.“

Der Beitritt Großbritanniens zur EU brachte das Modell zum Einsturz. Der große Kunde fiel, fast von einem Tag auf den anderen, weg. Plötzlich zeigten sich die Schwächen einer Wirtschaft, in der von den Preisen bis zu den Löhnen fast alles staatlich reguliert war. Ein Jahrzehnt lang versuchte die Regierung, die Farmer mit hohen Subventionen vor der neuen, rauen Wirklichkeit abzuschirmen, dann brach auch diese Strategie unter einem ausufernden Budgetdefizit zusammen.

Hohe Auslandsverschuldung

1984 kam die große Wende: Ausgerechnet eine Labour-Regierung strich alle Subventionen, privatisierte auf Teufel komm raus und legte den Grundstein für eine der liberalsten Ökonomien der Welt. Der Schock war nachhaltig und schmerzhaft, von hoher Arbeitslosigkeit begleitet, doch letztlich heilsam. Seit Mitte der Neunzigerjahre erlebt Neuseeland einen Boom, der erst jetzt, durch die globale Krise, gebremst wird.

Die Neuseeländer mussten lernen, schutzlos auf dem Weltmarkt zu bestehen. „Wir machen unsere Produkte jetzt einfach schlauer“, erklärt Jennifer Macmillan, Generalkonsulin in Wien. Bald waren rentable Nischen gefunden: ökologischer Anbau, Wein, Rotwild – und natürlich die Kiwi. Die Frucht wurde so sehr zum Symbol des Landes, dass auch seine Bewohner und der Neuseeland-Dollar nach ihr benannt wurden. Dazu kommt die Ressource Landschaft, die sich als Spielplatz für Abenteuertouristen und als Filmsetting – etwa für den „Herrn der Ringe“ – bestens vermarkten lässt.

Die Krise hat freilich auch den Inselstaat nicht verschont. Besonders bedrohlich erscheint die hohe Auslandsverschuldung durch angesammelte Leistungsbilanzdefizite von jährlich neun Prozent. Allerdings kommen sie nicht aus der Handels-, sondern der Einkommensbilanz: Australische Banken haben in den letzten Jahren viel Kapital nach Neuseeland gebracht und die hohen Gewinne zu Hause reinvestiert.

Chinas erste Freihandelszone

Auch die Arbeitslosigkeit, die mit ein Prozent schon die niedrigste der OECD-Staaten war, steigt wieder stark an, die Steuereinnahmen sinken. Doch die Budgetüberschüsse der letzten Jahre bilden noch einen Polster. Die beste Waffe gegen die Krise aber sind neue Märkte, die sich die „Kiwis“ erobert haben – vor allem in Asien. Neuseeland ist der erste Staat, der mit China ein umfassendes Freihandelsabkommen unterzeichnet hat, vor einem Jahr, mitten während der Tibet-Krise. Indien soll bald folgen.

Erdbeeren werden verladen und dank Zeitverschiebung am gleichen Tag auf den Märkten Tokios und Shanghais verkauft. Baumstämme werden in Korea zu Möbeln verarbeitet. Bei alldem komme den „Kiwis“ ihre lockere und entspannte Art zugute, meint Minister Dunne dezent patriotisch. Diese Mentalität komme bei den Asiaten besser an als jene der forschen Amerikaner – und der schizophrenen Australier, „die immer noch nicht wissen, ob sie Asiaten sind oder Europäer, die es ans Ende der Welt verschlagen hat“.

Diesen Vorteil wissen die Neuseeländer bei der Kontaktpflege geschickt zu nutzen. Der Colombo-Plan lockt die besten Studenten Asiens ins Land: „Viele gelangen später an die Schaltstellen der Macht. Ein malaysischer Ministerkollege hat mir vor Kurzem voller Stolz sein neuseeländisches Diplom gezeigt.“

Auch der Anteil der Asiaten an der Bevölkerung – aktuell gut zehn Prozent – wird den Prognosen nach stark steigen. Schon heute wird das chinesische Neujahr auch von den „Kiwis“ ausgiebig gefeiert.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.03.2009)

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