Bulgarien: Die Geldgeber zu Freunden machen

(c) AP (Petar Petrov)
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Wahlsieger Borissov ernennt einen jungen Weltbank-Ökonomen zum Wirtschaftsminister und setzt auf einen besseren Draht zu IWF und Brüssel.

Sofia. Es sei seiner Regierung nicht gelungen, ihre Erfolge zu kommunizieren, seufzte ein niedergeschlagener Ministerpräsident Sergej Stanischev am Wahlabend in Bulgarien. Tatsächlich attestierten zumindest in der Wirtschaftspolitik auch kritische Beobachter der alten Koalition aus Sozialisten, Zaristen und Türken eine gewisse Fortune.

Die Einführung einer einheitlichen Flat Tax von zehn Prozent auf Unternehmensgewinne und Einkommen stärkte die Steuerehrlichkeit und erhöhte die Staatseinnahmen. Eine Senkung der Abgabenlast begünstigte das Wirtschaftsklima zusätzlich und trug zu robusten Wachstumsraten von über sechs Prozent bei.

Immerhin noch 5,43 Mrd. Euro Direktinvestitionen flossen im letzten Jahr ins Land. Die Bulgaren konnten sich über Einkommenssteigerungen von knapp 20 Prozent freuen. In den letzten vier Jahren sank die Arbeitslosigkeit von 13 Prozent Anfang 2005 auf fünf Prozent Ende 2008.

Stützt sich Stanischev bei der Bilanzierung seiner Wirtschaftspolitik vorzugsweise auf Zahlen aus der Zeit vor der Krise, legt sein siegreicher Gegner, der designierte Premier Bojko Borissov, seine Hand lieber in die Wunden der Gegenwart.

Wirtschaft bricht ein

Im April prognostizierte der Internationale Währungsfonds (IWF) Bulgarien für heuer noch einen Rückgang des Bruttoinlandsprodukts um 3,5 Prozent, nun hielt IWF-Experte Bass Baker gar einen BIP-Einbruch von sieben Prozent für möglich.

Borissov übernimmt die Regierungsgeschäfte also in einer wirtschaftlich sehr schwierigen Situation. Bis zum 27. Juli möchte er sein Kabinett bilden, doch ist offen, ob es sich dabei um eine Koalition mit Vertretern der demokratischen Rechten oder eine Minderheitenregierung handeln wird.

Angesichts der starken Rezession und der nur noch spärlich ins Land fließenden Investitionen könnte sich Borissov schon bald genötigt sehen, beim IWF um Unterstützung anzusuchen. Gute Kontakte zu internationalen Institutionen bewies Borissov mit der Berufung eines 38 Jahre jungen Weltbank-Ökonomen zum Finanzminister.

Simeon Djankov hatte schon das wirtschaftspolitische Programm mitausgearbeitet, das Borissovs Partei GERB Mitte Mai präsentierte. Ein Kernpunkt: Der bulgarische Lew soll bis zur Euroeinführung an diesen gekoppelt bleiben, wie es mit dem IWF vereinbart worden war.

Fördermittel fließen wieder

Dazu kommen „Antikrisenmaßnahmen“. Zunächst soll der Staatshaushalt an die trüben Wirtschaftsaussichten angepasst und öffentliche Gelder sollen effizienter verwendet werden. Außerdem soll Misswirtschaft bei der Vergabe von EU-Fördermitteln strafrechtlich verfolgt werden – ein erster Schritt, um das Vertrauen Brüssels wiederherzustellen, das sich das Kabinett Stanischev durch zahlreiche Korruptionsaffären verspielt hat. „Das wird den Zugang der Unternehmen zu europäischen Geldern erleichtern“, hofft Borissov. Im letzten Jahr hatte die EU- Kommission Bulgarien mehrere hundert Mio. Euro zum Teil gesperrt, zum Teil gestrichen.

Am Donnerstag verkündete Borissov, die Führung der Europäischen Volkspartei habe ihm die Freigabe eines Teils der Gelder in Aussicht gestellt. Und er verstand es, diesen Schritt politisch zu verkaufen: Damit erkenne Brüssel das klare Votum der Bulgaren an, vermutete – leicht gewagt – der neue starke Mann des Landes.

auf einen blick

Mit Bulgariens neuem Premierminister Bojko Borissov kommt frischer Wind in die Wirtschaftspolitik des Landes.
Der Wahlsieger plant, Misswirtschaft bei der Vergabe von EU-Fördermittelnstrafrechtlich zu verfolgen, die Landeswährung Lew bis Jahresende an den Euro gekoppelt zu lassenund den IWF um Hilfskredite zu bitten.
Als Wirtschaftsminister dafür zuständig soll der junge Weltbankökonom Simeon Djankov sein.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.07.2009)

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