Der Fall Madoff: "Als ob Hühner Füchse jagen"

Fall Madoff Huehner Fuechse
Fall Madoff Huehner Fuechse(c) EPA (JUSTIN LANE)
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Harry Markopolos wollte der US-Börsenaufsicht SEC jahrelang erklären, warum Bernie Madoff betrügt - ohne Erfolg. Immer wieder legte er mathematische Beweise vor, die SEC-Mitarbeiter wohl nicht verstanden.

New York (Bloomberg). Ausdruckslose Mienen, Herablassung, Tränen – das alles erlebte Harry Markopolos in den neun Jahren, in denen er die US-Börsenaufsicht SEC zu überzeugen versuchte, dass die von Bernard Madoff angegebenen Renditen mathematisch unmöglich seien. Aber die SEC-Vertreter wollten die Zahlen nicht verstehen, bis Madoffs Schneeballsystem auf 65 Mrd. Dollar angeschwollen war, wie Markopolos in seinem Buch „No One Would Listen“ beschreibt.

Markopolos, der sich als stolzen griechischen Computerfreak bezeichnet, war früher Chief Investment Officer bei Rampart Investment Management. Er begann mit seinen Nachforschungen im Jahr 1999, als ein Kollege von den sagenhaften Renditen Madoffs hörte und Markopolos drängte, seine Strategie zu kopieren. Markopolos kam rasch zu dem Schluss, dass die Zahlen nicht stimmen können. „Das ist Schwindel“, sagte er seinem Kollegen. So begann sein surrealer Ausflug in die verdrehte Welt des Bernie Madoff, des Brokers und Händlers, der Renditen von ein bis zwei Prozent im Monat erzielte – zu gut, um wahr zu sein.

In seiner Odyssee musste sich Markopolos gegenüber Chefs behaupten, die Madoff'sche Ergebnisse von ihm verlangten, gegenüber Investoren, die die Wahrheit nicht hören wollten sowie gegenüber SEC-Vertretern, die nicht verstanden, was sie hörten.

Bewaffnet aus Angst vor Madoff

Bis zur Verhaftung von Madoff am 11. Dezember 2008 hatte Markopolos der SEC seine Bedenken fünfmal dargelegt und begann sich zu fragen, ob Madoff unantastbar sei. Aus Angst trug er einen Smith & Wesson-Revolver bei sich. „Wenn Madoff mich bedroht hätte, ich hätte ihn ausgeschaltet“, schreibt Markopolos.

Schritt für Schritt beschreibt Markopolos die gefährliche Diskrepanz zwischen der Kompetenz der SEC-Juristen und jener der Marktprofis, die sie beaufsichtigen sollen. „Juristen mit der Überwachung von Kapitalmarktprofis zu beauftragen ist, als ob man Hühner losschicken würde, um Füchse zu jagen“, sagt er.

Ermittler waren ahnungslos

Immer wieder legte Markopolos den SEC-Mitarbeitern mathematische Beweise vor, die sie wohl nicht verstanden. Im Mai 2000 versuchte er einem leitenden SEC-Ermittler zu erklären, warum Madoff mit einer Aktien- und Optionsstrategie vom Typ „split-strike conversion“ gar nicht so viel Geld verdienen konnte. „Rasch wurde klar, dass er seit dem ,Hallo‘ zur Begrüßung kein Wort verstanden hatte“, erinnert er sich. Ein anderes Mal hatte er mit einer SEC-Mitarbeiterin zu tun, die nicht wusste, was Derivate sind.

Solche Fälle führte auch SEC-Generalinspekteur H. David Kotz in seinem 457-seitigen Prüfbericht auf, der zu dem Schluss kam, die SEC habe sechs Gelegenheiten verpasst, den Betrug aufzudecken.

Eine andere Hürde bestand für Markopolos in dem Ruf, den Madoff sowohl bei SEC als auch bei Anlegern genoss. „Madoff galt als ausgefuchster Insider, während ich der lästige Außenseiter war.“ Ein Fondsmanager, der sämtliche Warnungen in den Wind schlug, war René-Thierry Magon de la Villehuchet von Access International Advisors LLC. Er hatte Markopolos als Erster auf Madoff aufmerksam gemacht. Markopolos teilte de la Villehuchet seinen Verdacht mit, doch der hörte nicht zu. Angesichts der Madoff-bedingten Verluste beging de la Villehuchet Selbstmord.

Er vergaß leider eine wichtige Regel für Investments: Wenn sich etwas zu gut anhört, um wahr zu sein, ist es das in der Regel auch.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.03.2010)

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