Europas Sorgenkind ist in die Rezession geschlittert. Die Pläne für ein geringeres Budgetdefizit wackeln gehörig.
Rom. Seit wenigen Tagen ist es amtlich: Italien ist zum Jahresende 2018 als erste Volkswirtschaft der Eurozone in eine Rezession gerutscht. Im vierten Quartal schrumpfte die Wirtschaftsleistung im Vergleich zum Vorquartal um 0,2 Prozent. Im dritten Quartal hatte das Minus 0,1 Prozent ausgemacht. Trotzdem war die Regierung in Rom sehr um Beschwichtigung bemüht. Auch der parteilose Premier Giuseppe Conte bemühte sich, Zuversicht zu verbreiten. Tenor: Es handle sich um eine Übergangsphase, die in erster Linie auf den Handelsstreit zwischen USA und China zurückzuführen sei.
Am Wochenende sprach der Chef der italienischen Notenbank, Ignazio Visco, freilich Klartext: „Die Aussichten der italienischen Wirtschaft sind heute weniger günstig als vor einem Jahr“, sagte er in einer Ansprache, in der er generell die Verschlechterung der Konjunktur im Land beklagte.
Konsum schwächelt
Dies sei auf externe Faktoren wie den Abschwung in Deutschland und China zurückzuführen, sagte Visco. Aber auch der schwache Konsum in Italien leiste seinen Beitrag. Die Nachfrage habe unter der politischen Unsicherheit infolge des Streits zwischen der italienischen Regierung und der EU-Kommission rund um den Budgetplan gelitten. Der Streit konnte kurz vor Weihnachten zumindest vorerst beigelegt werden.
Lange hatte die EU das Budgetdefizit seines wirtschaftlichen Sorgenkinds Italien – immerhin die drittgrößte Volkswirtschaft der Eurozone – moniert: Letztlich willigten die Italiener ein, ihre ursprünglich vorgesehene Neuverschuldung von 2,4 Prozent des BIP auf 2,04 Prozent zu drücken. Dies allerdings bei einem gigantischen Schuldenberg von mehr als 131 Prozent der Wirtschaftsleistung. Das ist der höchste Schuldenstand in der Eurozone nach Griechenland.
Die nun eingetretene Rezession erschwert es der Regierung, die mit der EU-Kommission im Dezember ausgehandelten Haushaltsziele für 2019 einzuhalten. Der Plan einer geringeren Neuverschuldung fußt nämlich auf der Annahme, dass das Bruttoinlandsprodukt im Gesamtjahr 2019 um ein Prozent zulegen werde.
Das könnte sich als reichlich ambitioniert erweisen. Das Forschungszentrum des Industriellenverbands Confindustria rechnet für heuer nur noch mit einem Wirtschaftswachstum von knapp über Null. „Italien muss dringend das Vertrauen in seine Wirtschaft wiederherstellen“, verlautete aus der EU-Kommission im Dezember, „um die Finanzierungsbedingungen und den Rückhalt für Investitionen zu verbessern. Das wird am Ende auch die Kaufkraft aller Italiener verbessern.“
Schuldenabbau eingemahnt
Notenbankchef Visco meinte am Wochenende, das Wirtschaftswachstum müsse mit privaten und öffentlichen Investitionen gefördert werden. Zugleich sei Italiens Schuldenabbau von wesentlicher Bedeutung. Die seit Juni amtierende Regierung aus Lega und Fünf-Sterne-Bewegung will das Wachstum unter anderem mit Steuersenkungen und höheren Sozialausgaben ankurbeln und nimmt dafür höhere Schulden in Kauf.
Laut Gewerkschaftsverband UIL müsse vor allem die Bauwirtschaft gefördert werden, die in den Krisenjahren mehr als 700.000 Jobs verloren habe.
Experten betonen allerdings, dass die Probleme Italiens hausgemacht seien: Verantwortlich seien vor allem strukturelle Probleme, wie die niedrige Produktivität und Investitionstätigkeit der Unternehmen, anhaltende Risiken im Bankensektor und geringe Einkommenszuwächse. (APA/red.)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.02.2019)