Der Euro ist für Deutschland ein Segen, aber für Italien eine Qual

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DEU Deutschland Nordrhein Westfalen Muenster 15 12 2018 Einkaufen in der Vorweihnachtszeit Amimago/Rüdiger Wölk
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Pro Kopf hat der Euro den Deutschen mehr als 23.000 Euro an Wohlstand gebracht.

Wien/Freiburg. Der Euro gehört sicherlich zu Europas größten Errungenschaften. Er bleibt aber auch Streitthema Nummer eins. Das Freiburger Centrum für Europäische Politik (Cep) hat jetzt ausgerechnet, was der Euro den Deutschen gebracht hat. Die Antwort: Viel. Sehr viel sogar. Von 1999 bis 2017 soll der Euro Deutschland einen Wohlstandsgewinn von fast 1900 Mrd. Euro verschafft haben. Die Kehrseite: Italien hat den Berechnungen der Cep-Ökonomen Alessandro Gasparotti und Matthias Kullas zufolge rund 4400 Mrd. Euro verloren. Österreich wurde nicht untersucht, da EU-Beitritt und Euro-Einführung zu nahe beieinander gelegen sind. Immerhin: Sogar Griechenland konnte ein ganz klein bisschen vom Euro profitieren. Allerdings beträgt das Plus nur zwei Milliarden, was auf 190 Euro pro Person kommt.

Für die Studie „20 Jahre Euro: Verlierer und Gewinner“ wurde die Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts (BIP) pro Kopf in Deutschland, den Niederlanden, Griechenland, Spanien, Belgien, Portugal, Frankreich und Italien untersucht, also von acht der mittlerweile 19 Euro-Staaten. Außer Deutschland konnten demnach nur die Niederlande vom Euro wirklich profitieren – das Plus lag laut Cep bei rund 350 Mrd. Euro, was rund 21.000 Euro pro Person entspricht. Bei Spanien, Belgien und Portugal liegt das Minus zwischen 5000 (Spanien) und 40.000 Euro (Portugal) pro Nase. In Frankreich betrug das Minus fast 56.000 Euro und in Italien sogar 74.000 Euro pro Kopf.

Kleines Plus für Griechenland

Da steht Griechenland mit seinem Mini-Plus geradezu gut da. „In Griechenland hat der Beitritt zur Euro-Zone zwischen 2001 und 2010 zu sehr großen Wohlstandsgewinnen geführt“, so Cep-Ökonom Kullas zur „Presse“. Nach dem Platzen der Blase und mit dem Beginn der Griechenlandkrise drehte sich das Bild freilich in die andere Richtung. Ab 2011 konnte das südeuropäische Land nur verlieren. Ein kleiner Hoffnungsschimmer: Die Auswertung des Cep geht nur bis 2017. „Tatsächlich konnte sich das Land seitdem wohl ein bisschen stabilisieren“, so der Ökonom.

Die extrem unterschiedlichen Ergebnisse für Länder wie Deutschland, das massiv profitiert haben soll – und Italien, das stark verloren hat, erklären die Cep-Ökonomen mit der Wettbewerbsfähigkeit. Deutschland konnte vor allem seit der Finanzkrise zulegen, „weil Geld nach Deutschland geflossen ist ohne dass der Euro nach außen aufgewertet hätte“, so Kullas.

Das Ergebnis: Die stark auf Exporte ausgelegte deutsche Wirtschaft konnte ihre Produkte besser verkaufen als etwa mit einer D-Mark, die in Krisenzeiten stark im Wert nach oben gegangen wäre. Daher der massive Zugewinn für Deutschland.

Gute Reformen in Frankreich

Für Italien und Frankreich, das laut Cep auch 3600 Mrd. an Einbußen wegzustecken hatte, eine fatale Entwicklung, denn sie waren im Euro gefangen und konnten ihre nationalen Währungen nicht abwerten, so die Ökonomen. Das Cep gehört zur Stiftung Ordnungspolitik, die für eine Wirtschaftspolitik auf der Basis von Markt und Wettbewerb eintritt. Die Daten, die bereits jetzt auch innerhalb der deutschen Ökonomenszene umstritten sind, widerlegen zumindest die Legende, dass der Euro vor allem im Sinne Frankreichs gewesen sei.

Vielmehr würde er Paris und Rom zu schwierigen Strukturreformen zwingen, so Kullas. Zumindest in Frankreich seien hier aber bereits Fortschritte zu erkennen. „Die Arbeitsmarktreformen gehen in die richtige Richtung. Die Macht der Gewerkschaften wurde reduziert. Die Verhandlung von Löhnen und Arbeitsbedingungen auf betrieblicher Ebene wurde erleichtert.“ Für die kommenden Jahre erwartet Cep-Ökonom Kullas in Frankreich deshalb eine Trendwende.

In Italien würden Reformen noch ausstehen. Zudem müsse die Regierung in Rom das Investitionsklima verbessern und das Budget sanieren – auch um wieder Spielraum für öffentliche Investitionen zu haben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.02.2019)

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