Dieselskandal: Ex-VW-Chef Winterkorn wird angeklagt

Seit wann wusste Ex-VW-Chef Martin Winterkorn von den Manipulationen? Das wird die entscheidende Frage sein.
Seit wann wusste Ex-VW-Chef Martin Winterkorn von den Manipulationen? Das wird die entscheidende Frage sein.(c) REUTERS (Fabrizio Bensch)
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Der ehemalige VW-Vorstandsvorsitzende und vier weitere Führungskräfte werden wegen besonders schweren Betruges in Deutschland angeklagt. Weitere Anklagen dürften folgen.

Wien. Nun steht fest: Martin Winterkorn, der ehemalige Vorstandsvorsitzende des VW-Konzerns, wird in Kürze auf der Anklagebank des Landesgerichts Braunschweig Platz nehmen müssen.
Wie am Montag bekannt wurde, hat die Staatsanwaltschaft Braunschweig bereits am Freitag gegen ihn und vier weitere Führungskräfte im Zusammenhang mit dem Abgas-Skandal Anklage erhoben. Die Namen der anderen Angeklagten nannte die Behörde nicht, allerdings verwies sie auf die Unschuldsvermutung für alle fünf.

Gleich mehrere Delikte legt die Anklage den fünf Managern zur Last: Besonders schweren Betrug, Verstöße gegen das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, Steuerhinterziehung und mittelbare Falschbeurkundung. Winterkorn wird zusätzlich Untreue vorgeworfen, weil er nach dem 25. April 2014, also nach Kenntnis von rechtswidrigen Manipulationen an Dieselmotoren, diese nicht umgehend bekannt gegeben habe. Mit anderen Worten: Der Konzern-Chef soll den weiteren Einbau der sogenannten Abschaltvorrichtungen (defeat device) wider besseren Wissens nicht untersagt haben.

Kein Kommentar von VW

Der Volkswagen-Konzern wollte die Anklageerhebung nicht kommentieren. Ein Sprecher verwies darauf, dass die strafrechtlichen Ermittlungen gegen Volkswagen selbst mit der Zahlung eines milliardenschweren Bußgeldes beendet seien – es sich nun also um individuelle Ermittlungen gegen Einzelpersonen handle, die mit dem Konzern nichts mehr zu tun hätten.

Die Staatsanwaltschaft dürfte sich in der Anklage unter anderem auf die Aussage des früheren Motoren-Chefs von Volkswagen, Jens Hadler, stützen. In seiner Einvernahme gab Hadler nämlich an, dass Winterkorn bereits in einer Sitzung im Jahr 2011 von der Manipulationstechnik „defeat device“ informiert worden sei. Vor deren Einsatz habe dieser dennoch nicht zurückschreckt.

Genau das hat jedoch Winterkorn stets bestritten. Er gab vor dem Diesel-Untersuchungsausschuss Anfang 2017 an, erstmals am 18. September 2015 durch die US-Behörden von den Manipulationen in seinem Konzern erfahren zu haben. „Es ist nicht zu verstehen, warum ich nicht frühzeitig und eindeutig über die US-Probleme informiert worden bin. Den Begriff ,Defeat Device‘ habe ich sicher nicht vor September 2015 gehört“, gab der Ex-Manager zu Protokoll.

Die Behörde in Braunschweig bezeichnete die Anklage gestern lediglich als ersten „Teilabschluss“. Weitere werden demnach bald folgen. Schließlich ermittelt die Staatsanwaltschaft auch noch gegen rund 40 andere Beschuldigte im Zusammenhang mit den Stickoxid-Emissionen.

Anklage auch in den USA

Winterkorn hat nun auch in Deutschland einen Strafprozess am Hals. Mitte März 2019 hat bereits die US-Börsenaufsicht (SEC) gegen ihn – sowie den gesamten Konzern – wegen Betruges Anklage erhoben. Der Vorwurf der SEC: Anleger, die von April 2014 bis Mai 2015 in den Vereinigten Staaten in VW-Wertpapiere investiert haben, seien um Hunderte Millionen Dollar betrogen, aber dafür nie entschädigt worden.

Der deutsche Autohersteller kündigte damals an, sich mit allen Mitteln gegen die Vorwürfe wehren zu wollen. Die erste Verhandlung, die für 23. April in San Francisco angesetzt war, dürfte allerdings erst am 10. Mai stattfinden. In einem bei Gericht eingelangten Verschiebungsantrag heißt es, der leitende Anwalt von Volkswagen, sei an diesem Tag verhindert.

Der Dieselskandal war im September 2015 bekanntgeworden. Volkswagen hatte damals auf Druck der US-Umweltbehörden zugegeben, Dieselabgaswerte durch eine spezielle Software so manipuliert zu haben, dass die Fahrzeuge die gesetzlichen Grenzwerte auf dem Prüfstand zwar einhielten, im normalen Betrieb aber überschreiten.

Die Wiedergutmachung kostete den Konzern bislang 29 Milliarden Euro, vor allem für Strafen und Entschädigungen in den USA.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.04.2019)

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