Außenhandel: Vietnam, das bessere China?

(c) REUTERS (Damir Sagolj)
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Viele ausländische Unternehmen suchen neben der Volksrepublik ein zweites Standbein in Asien – und entdecken Vietnam. Auch Österreich will dabei sein.

Wien. Langsam wird die Lage etwas ungemütlich. „Immer mehr Unternehmen in China klagen über dirigistische Eingriffe“, berichtet Dietmar Schwank, Asien-Experte der Wirtschaftskammer (WKÖ). Der schwelende Handelskonflikt mit den USA mache die Sache nicht einfacher. Viele Konzerne seien daher auf der Suche nach einem zweiten Standbein, einem Back-up-Plan in der Region. Und die meisten von ihnen würden in Vietnam fündig.

Das 96 Millionen Einwohner zählende Land hat in den letzten Jahrzehnten eine beeindruckende Wandlung hingelegt. Vom Armenhaus Asiens arbeitete sich Vietnam zur neuen, günstigeren Werkbank der Welt hoch. Zahlreiche Elektronik- und Bekleidungshersteller haben China bereits vor Jahren in Richtung Vietnam verlassen. Heute kommt jedes zehnte Smartphone aus Vietnam. Die ausländischen Investoren trieben das Wirtschaftswachstum jedes Jahr im Schnitt um sieben Prozent in die Höhe. Samsung allein ist für ein Fünftel der gesamten Exporte des Landes verantwortlich.

Diese erste Investitionswelle hat Österreich weitgehend ausgelassen. Bei der zweiten, die jetzt anrollt, will das Land aber voll dabei sein. Um die Bedeutung zu unterstreichen, eröffnet Wirtschaftskammer-Präsident Harald Mahrer am 16. Mai ein Außenwirtschaftscenter in Ho Chi Minh City. Dietmar Schwenk wird zum neuen Wirtschaftsdelegierten in Vietnam.

Kluge Köpfe, offene Grenzen

Die niedrigen Lohnkosten allein sind es nicht, die Investoren anlocken. Im Gegenteil: Verglichen mit anderen südostasiatischen Staaten sind die Lohnkosten in Vietnam fast doppelt so hoch. Dennoch werden Laos, Burma oder die Philippinen Vietnam nicht so rasch verdrängen können.

Denn das Land hat die letzten Jahre klug genützt, um in die eigene Infrastruktur und in die Bildung der jungen Bevölkerung zu investieren. 40 Prozent der Vietnamesen sind unter 35 Jahre alt. Mehr als neunzig Prozent schließen eine Schule oder eine Fachausbildung ab.

Zudem öffnete sich das Land radikal dem internationalen Handel und verfügt heute über ein sehr breites Netzwerk an Freihandelsabkommen. Auch die Europäische Union hat mit Vietnam das bis dato umfassendste Freihandelsabkommen mit einem Schwellenland ausgehandelt. Zwei Drittel aller Importzölle fallen sofort, fast der gesamte Rest innerhalb von zehn Jahren. Offen ist, ob das Abkommen noch vor der EU-Wahl im Mai unterzeichnet werden kann.

„In Vietnam gibt es perfekte Konditionen für Investoren“, lobte Mahrer. Und Vietnams Botschafter in Wien, Le Dung, hofft vor allem auf einen Zuwachs an österreichischen Direktinvestitionen in sein Land. Besonders wichtig sei Vietnam die Automobilindustrie.

Das erste Auto des Landes, der Vinfast, wurde in nur zwölf Monaten von Magna entwickelt und soll in gut einem Monat vorgestellt werden. (auer)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.04.2019)

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