Deutsche Ökonomen warnen vor Durchhänger

Das Ifo erwartet eine schrumpfende Wirtschaftsleistung im zweitenQuartal. Der Konjunkturpessimismus unter Börsianern greift um sich.

Der Konjunktur in Deutschland droht nach einem Schwächeanfall im vorigen Jahr erneut die Luft auszugehen. Die Wirtschaft wird nach Prognose des Ifo-Instituts im laufenden Quartal schrumpfen. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) dürfte von April bis Juni um 0,1 Prozent zum Vorquartal sinken, wie Ifo-Konjunkturchef Timo Wollmershäuser am Dienstag prognostizierte.

Im Sommer 2018 war das Bruttoinlandsprodukt um 0,2 Prozent geschrumpft. Danach stagnierte die Wirtschaft, bevor sie zu Jahresbeginn wieder Fahrt aufnahm. Trotz des befürchteten Durchhängers im Frühjahr erwartet der Ifo-Experte allerdings nicht, dass es zu zwei Minus-Quartalen in Folge kommen wird: "Wir haben keine Hinweise auf eine Rezession."

Angesichts der Zollkonflikte, der Gefahr eines womöglich ungeordneten Brexit sowie wachsender Spannungen zwischen den USA und dem Iran rauschen die Konjunkturerwartungen der Investoren dennoch in den Keller. Das Barometer des Mannheimer ZEW sackte im Juni um 19 Zähler auf minus 21,1 Punkte ab. Zum Pessimismus trage auch "eine substanziell schlechtere Konjunkturentwicklung" in Deutschland zu Beginn des zweiten Quartals bei, sagte ZEW-Präsident Achim Wambach. Zuletzt hatte auch die Bundesbank in den Chor der Konjunkturpessimisten eingestimmt und ein Schrumpfen der Wirtschaftsleistung im laufenden zweiten Quartal prognostiziert. Von Jänner bis März war das BIP noch um 0,4 Prozent gewachsen.

Die deutsche Wirtschaft wird dem Ifo-Institut zufolge heuer weniger als halb so stark zulegen wie 2018. Das Bruttoinlandsprodukt werde lediglich um 0,6 Prozent steigen. Das Essener Forschungsinstitut RWI veranschlagt in seiner Prognose immerhin ein Plus von 0,8 Prozent. Im vergangenen Jahr hatte es beim Wachstum noch zu 1,4 Prozent gereicht. "Es mehren sich die Anzeichen, dass das Wachstum der deutschen Wirtschaft an Fahrt verliert", sagte RWI-Konjunkturchef Roland Döhrn. "Darauf deuten unter anderem gesunkene Auftragseingänge in der Industrie und ein schwächerer Beschäftigungsaufbau am Arbeitsmarkt hin."

„Müssen im Inland investieren"

Laut Ifo-Konjunkturchef Wollmershäuser steckt das exportorientierte Verarbeitende Gewerbe, wo ein Viertel der Wertschöpfung entsteht, in einer Rezession. Gleichzeitig allerdings verzeichneten die binnenorientierten Dienstleister und die Baubranche robuste Zuwächse. Das Münchner Institut erwartet, dass sich die Wirtschaft wieder fängt und das Wachstum in den kommenden Quartalen bei etwa 0,3 Prozent liegen wird. Ifo-Präsident Clemens Fuest ist auch deshalb gegen ein staatliches Ausgabenprogramm zur Förderung der Wirtschaft. "Es ist nicht sinnvoll, so etwas einzuleiten wie ein Konjunkturprogramm", sagte er. "Viele Faktoren, die die Industrie belasten, kommen zudem aus dem Ausland", ergänzte er mit Blick auf Handelskonflikte, Brexit oder Iran-Krise. Da könne die deutsche Regierung relativ wenig machen. Sie könne aber die Rahmenbedingungen verbessern, etwa in der Energie- oder Steuerpolitik, um so den Standort zu stärken.

"Wir müssen im Inland investieren, stärker investieren", sagte der deutsche Wirtschaftsminister Peter Altmaier im Gespräch mit Reuters. Im Sommer kämen zudem Anreize durch ein höheres Kindergeld und Baukindergeld, mehr Investitionen in Straßenbau und Forschung: "Wir gehen davon aus, dass der Aufschwung weitergeht", so der CDU-Politiker. Es werde viel davon abhängen, inwieweit die Wachstumskräfte im zweiten Halbjahr an Auftrieb gewännen: "Wir haben eine gute Binnenkonjunktur. Der Bausektor boomt, die Konsumausgaben der Bürger steigen. Auf der anderen Seite ist die Industriekonjunktur wegen der Handelskonflikte und des Brexit nicht ausreichend stark."

(APA/Reuters)

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