Tauschen Lagarde und Draghi die Jobs?

Christine Lagarde und Mario Draghi.
Christine Lagarde und Mario Draghi.(c) APA/AFP/FRED DUFOUR (FRED DUFOUR)
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Das Rennen um die Führung des Internationalen Währungsfonds hat schon begonnen, die Liste der Kandidaten ist lang. Europa dürfte seinen Anspruch trotz Widerstands der Schwellenländer nicht aufgeben.

Washington/London/Frankfurt. Es ist nicht irgendein Job, denn der Internationale Währungsfonds ist auch keine kleine Suborganisation der UNO. Vielmehr ist der IWF eine der mächtigsten Institutionen der Welt und wacht über die Stabilität des globalen Währungs- und Finanzsystems. Zu den Kernaufgaben der Sonderorganisation zählt die Unterstützung überschuldeter Staaten mit Krediten, die diese auf dem freien Markt nicht mehr oder nur mit hohen Risikoaufschlägen bekommen.

Kein Wunder, dass sich das Karussell um den Chefposten schon kräftig dreht, obwohl IWF-Chefin Christine Lagarde als Präsidentin der Europäischen Zentralbank (EZB) zwar designiert, aber noch nicht fixiert ist. Die Europäer werden dabei ihren Anspruch nicht aufgeben, sie stellen traditionell den IWF-Boss, während bei der UN-Schwesterinstitution Weltbank die Amerikaner das Sagen haben. Dieses Duopol stört die Schwellenländer schon länger. Dass ein Kandidat aus diesen Regionen Lagardes Nachfolger wird, scheint dennoch unwahrscheinlich. Eine Überraschung könnte es aber sehr wohl geben.

Das Rennen eröffnet hat der ehemalige britische Finanzminister George Osborne, der sich selbst ins Spiel gebracht hat. Der Ex-Schatzkanzler unter Premier David Cameron nützte seine jetzige Position als Chefredakteur des „Evening Standard“, um seine Ambition in den Medien zu lancieren. Für den Job an der IWF-Spitze sei ein „fähiger politischer Kommunikator“ nötig, „kein Technokrat“, schrieb die „Financial Times“.

Brexit als Hindernis

Osborne hat zwar gegen die Abspaltung Großbritanniens von der EU gekämpft. Ob Europa und vor allem die USA, die von allen 189 Mitgliedstaaten die meisten Stimmrechte haben, einen Mann aus dem Brexit-Land an die Spitze des IWF hieven, ist aber fraglich.

Da gilt der britische Zentralbankchef Mark Carney schon eher als geeigneter Kandidat. Carneys Amtszeit endet 2020, er ist in der Finanzwelt angesehen. Zudem besitze er die kanadische, die britische und auch die irische Staatsbürgerschaft – damit könne er Europa gut repräsentieren, heißt es in britischen Medien.

Carney ist nicht der einzige Banker, der kolportiert wird. Da ist vor allem der Chef der Deutschen Bundesbank, Jens Weidmann, der eigentlich als EZB-Boss gesetzt war. Weidmann gilt als „Falke“, das heißt, er tritt im Gegensatz zu den „Tauben“ für eine eher strikte Geldpolitik ein. Was gegen Weidmann spricht, bedenkt man, dass nach Griechenland ein weiteres Euroland in Schieflage (Italien) gerettet werden muss.

Beim Poker um die EZB-Spitze ist auch der finnische Notenbanker Errki Liikanen leer ausgegangen. Er wurde so wie sein Landsmann Olli Rehn und die französischen Kollegen François Villeroy de Galhau und Benoît Cœuré sowie EU-Wirtschaftskommissar Pierre Moscovici ins Spiel gebracht.

Möglicherweise kommt aber alles ganz anders, und es gibt einen fliegenden Wechsel zwischen IWF und EZB. Mario Draghi ist ja ab Oktober „arbeitslos“, was nicht heißt, dass er nicht noch einmal ein großes Rad drehen möchte. Kompetenz und Krisenfestigkeit kann man dem Italiener nicht absprechen, die hat er in acht harten Jahren an der EZB-Spitze bewiesen. Dort konnte er weitgehend unabhängig agieren, während beim IWF viele Regierungen – auch der von Draghi nicht sonderlich geschätzte Donald Trump – mitreden. Zudem müsste der IWF für Draghi auch die Altersgrenze von 65 Jahren kippen.

Muss der IWF-Boss ein Banker oder ein Ökonom sein? Nicht notgedrungen, Lagarde kam auch nicht aus diesem Bereich. Aber schaden kann in Zeiten der Konjunkturabkühlung und des Handelskrieges der beiden Wirtschaftssupermächte ökonomisches Know-how ebenso wenig wie Trittsicherheit auf dem internationalen Parkett. (eid/ag.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.07.2019)

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