Schattenseiten des Goldrauschs: Die Kinder von Zamfara

Schattenseiten Goldrauschs
Schattenseiten Goldrauschs(c) REUTERS (STR New)
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Der Goldpreis eilt von Rekord zu Rekord. Doch der globale Goldboom fordert auch seine Opfer, wie das Beispiel einer nigerianischen Region zeigt.

Der Goldpreis klettert von Rekord zu Rekord. Sowohl in Dollar als auch in Euro war das Edelmetall Anfang Dezember so teuer wie nie zuvor. In Dollar kletterte der Preis am 7. Dezember für eine Feinunze (rund 31,1 Gramm) bis auf 1428,60 US-Dollar. In Euro gerechnet legte der Goldpreis bis auf 1072,03 Euro zu. Und ein Ende der Rekordjagd ist nicht in Sicht. "Der Höhenflug der Edelmetalle setzt sich ungebremst fort", heißt es in einer Studie der Commerzbank.

Abseits dieser Jubelmeldungen nimmt kaum jemand wahr, dass diese Jagd nach Gold an anderen Orten dieser Welt dramatische Folgen hat: Wie zum Beispiel in der nigerianischen Region Zamfara im Norden des Landes.

Goldfieber bringt den Tod

Die Mitarbeiter von "Ärzte ohne Grenzen" standen vor einem Rätsel, als sie mit krampfenden und sich übergebenden Kindern konfrontiert wurden, die kaum mehr alleine stehen konnten. Einige verloren ihr Bewusstsein, während sie auf ihre Behandlung warteten und ein Kind starb vor Ort. Zuerst vermuteten sie noch Malaria - eigentlich naheliegend, denn in Nigeria sterben 186 von 1000 Kindern bevor sie fünf Jahre alt sind. Die häufigsten Todesursachen sind Malaria, Meningitis und die Masern.

Bluttests brachten die Lösung: Jenes Erz, das die Männer und Frauen der Region in ihre Hütten mitnahmen, um daraus Gold zu gewinnen, enthält Blei. Indem sie das Erz zerschlagen und zermahlen, setzen sie Bleistaub frei, den die Kinder einatmen. Bisher sind mindestens 284 Kinder unter fünf Jahren in acht Dörfern der Region Zamfara gestorben. 742 Kinder werden wegen Bleivergiftungen behandelt. Die Zahl könnte laut Ärzte ohne Grenzen noch auf 3000 bis Ende 2011 steigen.

Die Stille ist ein schlechtes Zeichen

"Dieses Gold kostet uns viel", sagt Umoru Musa laut Finanz-Nachrichtenagentur "Bloomberg", dessen einjährige Tochter Nafisa an einer Bleivergiftung starb. Da die Ursachen des Todes unklar waren, arbeitete er weiter in seiner Hütte, um Gold zu gewinnen. Ein Säuberungstrupp, der den Boden rund um Musas Hütte durchsuchte, fand heraus, dass die Bleibelastung 100 Mal höher liegt, als sie etwa in den USA auf öffentlichen Plätzen zulässig ist.

Wenn ein Kind in ein Krankenhaus gebracht wird, ist Stille das schlechteste aller Zeichen, berichtet die Nachrichtenagentur AP. Denn dann sei die Bleikonzentration so hoch, dass Messgeräte sie nicht mehr anzeigen. Viele Kinder zeigen bleibende Gehirnschäden: Sie schreien, beißen und schlagen ihre Mütter. "Er war ein Bub, der sich so viel bewegt hat, er war so aktiv. Und nun liegt er einfach da", sagt die 30-jährige Kulu Rabiu über ihren zweijährigen Sohn Imrana.

Verbot des Abbaus von Gold

Im Juni hat die Regionalregierung von Zamfara zwar den Abbau von Gold verboten. Doch neue Messungen im Oktober haben gezeigt, dass einige Familien weiterhin das Erz in ihren Hütten zermahlen. Richard Fuller vom amerikanischen Blacksmith-Institut versteht die Menschen. Sie würden bloß versuchen, sich aus tiefster Armut zu befreien. Und mittlerweile will die Regierung das Verbot aufheben, da der Abbau einfach nicht zu stoppen sei. Stattdessen will man die Menschen besser über Risiken aufklären.

Der Abbau von Edelmetallen mit bloßen Händen, also ohne schweres Gerät, sei dabei weltweit einer der besten Wege, um die lokale Wirtschaft anzukurbeln, sagt Fuller. Weltweit arbeiten nach Schätzungen von Kevin Telmer, Professor an der University of Victoria in Kanada, rund zehn Millionen Menschen im Bereich dieser Art des Edelmetall-Abbaus. "Es ist für die meisten von ihnen die beste Möglichkeit, der Armut zu entkommen", sagt Telmer.

Auch Quecksilber birgt Gefahren

Bei der Gewinnung werden die Erdbrocken mit dem Hammer zerschlagen. Die kleineren Stücken werden zu einem Pulver zermahlen. Dieses wird mit Wasser und Quecksilber vermischt, um zu erreichen, dass sich die Goldpartikel zusammenklumpen. Und da lauert eine weitere Gefahr, die zu den häufigsten Schädigungen führt: Quecksilber. Quecksilber kann das zentrale Nervensystem schädigen.

Noch immer ist überall Blei in der Erde. Freiwillige Säuberungstrupps tragen bis zu fünf Zentimeter Erde ab. Ein Ende der Probleme wird das aber wohl nicht bringen. Solange Gold seinen weltweiten Höhenflug fortsetzt, werde sich der Abbau von Gold auch in der Region Zamfara zwangsläufig fortsetzen, sagt Joseph Graziano von der Columbia University in New York.

(phu)

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