Japan: Auswirkungen auf Weltwirtschaft

Leergekaufte Geschäfte in Tokio
Leergekaufte Geschäfte in Tokio(c) REUTERS (Issei Kato)
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Die Auswirkungen der Katastrophe auf die Weltwirtschaft sind schwer abzuschätzen. Eine Quantifizierung ist überhaupt nicht möglich. Eine globale Rezession halten Experten aber für unwahrscheinlich.

Was die Bewertung der Nachrichten aus Japan betrifft, so zeigen die Ökonomen seltene Einigkeit. Sie tun sich alle sehr schwer mit der Einschätzung möglicher Konsequenzen von Erdbeben, Tsunami oder gar Nuklearkatastrophe. Für letztere fehlen überhaupt jegliche Anhaltspunkte. Im Folgenden geht es darum, existierende  Wirtschaftszusammenhänge zwischen Japan und der restlichen Welt aufzuzeigen und mögliche kurz- und mittelfristige Szenarien, die sich als Folge aus der Katastrophe entwickeln könnten, darzustellen.

Tatsache ist, dass in den hauptsächlich betroffenen Regionen im nördlichen Teil relativ wenig Industrie angesiedelt ist. Dennoch wird der Fall Japan deutlich Spuren in vielen Bereichen der globalen Wirtschaft hinterlassen. Die neue Krise trifft die Weltwirtschaft zu einem äußerst ungünstigen Zeitpunkt. Die durch die Finanzkrise ausgelösten Rückschläge in den Wirtschaftssystemen sind gerade verarbeitet. Die zarten Pflänzchen des Konjunkturaufschwungs waren gerade im Entstehen und werden in dieser Form wohl nicht weiter wachsen können.

Wichtigste Handelspartner vor der Haustür

Die Handelsströme von Japan sind besonders im asiatisch-pazifischen Wirtschaftsraum sehr stark; mit China, Australien und Südkorea an der Spitze sowie mit den USA. Diese Region dürfte am stärksten betroffen sein. Über 50 Prozent der japanischen Exporte gehen in diese Länder. Ähnlich verhält es sich mit den Importen nach Japan, wozu die genannten Staaten gemeinsam mit Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten ebenfalls mehr als die Hälfte beisteuern. Der Anteil Japans, obwohl drittgrößte Wirtschaftsmacht der Welt, am globalen BIP liegt unter fünf Prozent.

Der Handel Japans mit dem Euroraum ist weniger stark ausgeprägt. Es könnten jedoch sogenannte Drittmarkteffekte eintreten. Da Europa mit Ländern wie China mittlerweile sehr intensive wirtschaftliche Beziehungen pflegt, könnten über diesen Umweg Konjunkturabschwächungen Japans auch in Europa spürbar werden. China wird durch seinen Status als zweitstärkste Wirtschaftsnation eine wichtige Rolle einnehmen. Besonders betroffen könnte die USA sein, da sie einerseits als direkter Wirtschaftspartner Japans eine wichtige Rolle einnimmt, andererseits auch über dritte Staaten beeinflusst werden könnte.

Stimmung ist entscheidend

In Katastrophensituationen wie derzeit in Japan kann sich auch die Konsumenten- und Unternehmensstimmung eintrüben. Dies kann zu einer nicht unerheblichen Belastung von Konsum und Investitionen führen. Die Talfahrt an den wichtigsten Börsenplätzen der Welt verstärkt in der Folge die Verunsicherung der Anleger.

Die Rückführung von Auslandskapital nach Japan wird die Nationalwährung Yen stärken, was für das nationale Wirtschaftswachstum eine zusätzliche Belastung bedeuten könnte. Japan ist eine Netto-Exporteur. Das Land dürfte in der Folge auch als Käufer von Staatsanleihen am Markt fehlen, mit wahrscheinlichen Folgen in den verschuldeten Euroländern und den USA.

Die Stromversorgung und die teilweise zerstörte Infrastruktur machen den Unternehmen sehr zu schaffen. Seit dem Erdbeben konnten die Bänder in vielen Fabriken von Chipproduzenten bis zu Autoteile-Herstellern nicht mehr bedient werden. Die Betriebe mussten schließen. Zudem ist die Verkehrsinfrastruktur mit Zerstörungen an Lieferwegen, Häfen und Eisenbahnstrecken stark beeinträchtigt. Weitere Stromausfälle, mit denen in den nächsten Wochen zu rechnen ist, treffen vor allem Chiphersteller, die besonders auf eine ununterbrochene Stromversorgung angewiesen sind. 20 Prozent der weltweit produzierten Chips kommt aus Japan.

Lichtblicke durch Wiederaufbau

Zu diesem Zeitpunkt von positiven Effekten zu sprechen, mag nicht sehr passend klingen. Aber der Ölpreis hat aufgrund geringerer Nachfragen stark nachgegeben, was wiederum zu einer Stärkung von Kaufkraft von Firmen und Verbrauchern führt. Zudem präsentierte sich der steigende Ölpreis als Folge der Unruhen in Nordafrika in den vergangenen Wochen als Inflationstreiber. Eine mögliche Abschwächung der Inflation könnte auch die Entscheidungen der wichtigen Notenbanken, eine Zinsanhebung durchzuführen, aufschieben. Eine Normalisierung der Geldpolitik könnte somit vorerst wieder in die Ferne rücken.

Heute gehen die meisten Ökonomen der großen Banken davon aus, dass das Wachstum Japans im heurigen Jahr unter dem Strich leicht nach unten revidiert werden könnte. Ein substanzieller Dämpfer im ersten Halbjahr sollte durch den Wiederaufbau in der zweiten Jahreshälfte fast ausgeglichen werden. Die Experten halten dafür ein Ansteigen des Wachstums für 2012 gegenüber den bisherigen Prognosen als äußerst wahrscheinlich. Die Instandsetzung der Zerstörungen in der Infrastruktur werden dafür verantwortlich sein. Mittelfristig dürfte die japanische Wirtschaft durch die Aufräumarbeiten sogar einen starken Schub erhalten. Ähnliches gilt für die wichtigsten Handelspartner Japans.

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