Die internationale Organisation lobt das griechische Sparprogramm und glaubt an eine Reduktion der Staatsschulden. In Deutschland sorgt solch eine Einschätzung für Kopfschütteln.
Wien/Stef. Geht es nach der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), befindet sich Griechenland auf einem guten Weg, sein Schuldenproblem zu lösen. „Die Reformen sind beeindruckend. Die auferlegten Programme sind erfolgversprechend“, schreibt die Organisation in ihrem aktuellen Wirtschaftsbericht über Europas Sorgenkind.
Die Wirtschaftsforscher haben die Entwicklung der griechischen Staatsschulden bis 2035 für vier Szenarien berechnet. Im besten Fall geht die OECD von einem jährlichen Wirtschaftswachstum von 2,5 Prozent und Privatisierungserlösen in Höhe von 50 Mrd. Euro aus – mit dem Resultat einer Schuldenquote von 40 Prozent im Jahr 2035.
Das schlechteste der vier OECD-Szenarien spricht von einem durchschnittlichen Konjunkturwachstum von 1,7 Prozent und Privatisierungserlösen von 15 Mrd. Euro – mit dem Ergebnis einer Verschuldung von 100 Prozent im Jahr 2035.
Hohes Defizit, kein Wachstum
Noch bleibt freilich abzuwarten, ob der hoch verschuldete Staat überhaupt das schlechteste der Szenarien erfüllen kann. Im vergangenen Jahr ist die Konjunktur um vier Prozent eingebrochen, bei einer Neuverschuldung von 10,5 Prozent. Die Schuldenquote liegt bei 143 Prozent des BIPs, die OECD erwartet in den nächsten beiden Jahren einen Anstieg auf 160 Prozent.
Weil die Investoren nicht mehr an eine eigenständige Lösung des Schuldenproblems glauben, kann sich Griechenland auf dem Kapitalmarkt nicht mehr refinanzieren. Vor zwei Wochen sprang die EU mit einem 109 Mrd. Euro schweren Hilfspaket ein. Trotzdem verlangen die Anleger nach wie vor Renditen von knapp 15 Prozent für zehnjährige Staatsanleihen.
„Der Pfad zur Erholung ist lang“, gesteht auch die OECD ein. Um die Erwartungen der Organisation zu erfüllen, müsse das Land „die Verschwendung öffentlicher Ressourcen eindämmen, das Problem der Steuerflucht entschieden angehen, den öffentlichen Dienst verbessern und das Vertrauen in ihre Regierung wiederherstellen“. Tatsächlich schulden die Griechen dem Staat 41 Mrd. Euro an Steuern, mehr als ein Fünftel der Wirtschaftsleistung.
Vor allem in Deutschland sorgt die aktuelle Einschätzung der OECD durchaus für Kopfschütteln. „Das Paket für Griechenland reicht nicht aus, um das Land in eine stabile Finanzlage zu versetzen“, sagt der Wirtschaftsweise Lars Feld der „Süddeutschen Zeitung“. Er erwartet, dass die „Zweifel der Märkte“ spätestens im September zurückkommen.
Weiterer „Haircut“ gefordert
Genauso wie Bundesbank-Präsident Jens Weidmann warnt auch Feld davor, die EU zu einer „Transferunion mit uneingeschränkter gemeinsamer Haftung“ verkommen zu lassen. Das zuletzt beschlossene Hilfspaket bezeichnet der Wirtschaftsweise wegen der bloß freiwilligen Beteiligung Privater als unzureichend. „Es muss ein größerer Schuldenschnitt kommen, der die privaten Gläubiger beteiligt“, sagt Feld.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.08.2011)