Experte Gerke kritisert dies als "Länderfinanzausgleich auf europäischer Ebene". Die Notenbank plant aber, dieses Engagement auch fortzusetzen.
EZB-Chef Jean-Claude Trichet hat den Märkten ein weiteres aktives Engagement an den Anleihemärkten in der Schuldenkrise signalisiert. "Die EZB ist am Sekundärmarkt für Schuldtitel aktiv, aber ich sage nicht, was wir kaufen", sagte der Präsident der Europäischen Zentralbank. Die EZB will bis Anfang kommender Woche keine Angaben über das Ausmaß ihrer indirekten Hilfen für die Schuldenländer Italien und Spanien machen. Die Notenbank plane, dieses Engagement auch fortzusetzen.
Trichet schloss zugleich aus, dass die Notenbank in Bedrängnis geratenen Staaten wie Italien und Spanien Schuldtitel direkt abkauft: "Das sollten wir nicht tun und das können wir auch nicht tun." Die EZB darf den Bestimmungen zufolge nicht am sogenannten Primärmarkt aktiv werden, da damit eine unzulässige Schuldenfinanzierung der Staaten verbunden wäre.
Laut dem österreichischen Nationalbank-Gouverneur Ewald Nowotny sei im EZB-Rat sei sehr ausführlich diskutiert worden, welche Risiken mit den jüngsten Aktionen (neue Anleihe-Aufkäufe, Anm.) verbunden seien. "Natürlich hat jedes Handeln Risiken", räumte Nowotny heute ein. Aber es sei besser als "Nicht-Handeln". In dieser Situation gebe es keine Maßnahme, die ohne Risiko sei. Nowotny bekräftigte aber, dass es damit zu keiner Ausweitung der Geldmenge komme, es sei damit keine Inflationsproblematik verbunden.
"Eurozone vor Eintritt in Transferunion"
Kritiker wenden ein, dass mit dem Programm die Grenze zwischen Geld- und Fiskalpolitik unzulässig verwischt wird. Der deutsche Finanzexperte Wolfgang Gerke hat den Aufkauf von italienischen und spanischen Staatsanleihen durch die EZB als "unverantwortlich" kritisiert. "Es ist eine Sozialisierung der Euro-Länder, ein Eintritt in die Transferunion und ein Länderfinanzausgleich auf europäischer Ebene", sagte der Präsident des Bayerischen Finanz-Zentrums (BFZ).
Für Papiere, die die EZB kauft, haften die Euro-Länder. Am Ende zahle für die Entscheidung der Währungshüter somit der Steuerzahler, sagte Gerke. Vor allem Deutschland "als größter Financier der EZB" würde dabei zur Kasse gebeten.
Strache: Aufkäufe wie Kriegsfinanzierung
FPÖ-Obmann Heinz-Christian Strache hat in einer Stellungnahme zu den Aufkäufen zu einem drastischen Vergleich gegriffen. Die EZB habe begonnen, erneut Staatsanleihen aufzukaufen - "selbstverständlich auch zu unangemessen niedrigen Zinssätzen", wie Strache feststellte. "So etwas kennt man bis dato hauptsächlich aus der Kriegsfinanzierung, aber definitiv nicht aus Friedenszeiten."
Damit drohten Risiko und Überschuldung für die EZB sowie Inflation. "Wenn frisch geschöpftes Geld primär zur Defizitfinanzierung eingesetzt würde, droht das Vertrauen in die Tausch- und Wertbemessungsfunktion der Währung abhandenzukommen". Strache sprach von einem "wahnsinnig gefährlichen Vorgehen" der EZB.
Anleihenkauf mindestens 100 Milliarden Euro
Die Europäische Zentralbank muss nach Einschätzung von Fondsmanagern mindestens 100 Milliarden Euro in den Ankauf von spanischen und italienischen Staatsanleihen stecken, um die Märkte zu beruhigen. In einer am Montagabend veröffentlichten Reuters-Umfrage gaben acht von zehn Managern diese Summe an, zwei von ihnen hielten sogar mindestens 250 Milliarden Euro für nötig.
Am Montag hatte die Zentralbank spanische und italienische Staatstitel am Sekundärmarkt aufgekauft und damit die zuletzt rasant gestiegenen Risikoaufschläge der ins Visier der Märkte geratenen Schuldenländer gedrückt. Danach hatte Trichet den Beschluss zur Wiederbelebung des Aufkaufprogramms verteidigt, das inmitten der Marktturbulenzen um Spanien und Italien von den Notenbankern reaktiviert wurde.
(APA/Ag.)