Untreue nur bei Schädigungsvorsatz

Untreue Schaedigungsvorsatz
Untreue Schaedigungsvorsatz(c) BilderBox (BilderBox.com)
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Der Oberste Gerichtshof zieht bei der strafbaren Untreue klare Grenzen. Auf den Vorsatz kommt es an. Eine Klarstellung.

Wien. Rechtsanwältin Liane Hirschbrich hat im „Rechtspanorama“ vom 15.Oktober 2012 über die Strafbarkeit der Vergabe von „Risikokrediten“ geschrieben. Sie hat sich mit der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (OGH) in Strafsachen befasst und ausgeführt, dass wirtschaftliche Fehlentscheidungen (ausgenommen vorsätzliche Schädigungen) der Prüfung durch Zivilgerichte vorbehalten bleiben sollten.

Befugnis wissentlich missbraucht

Ihr Beitrag bedarf in einem zentralen Punkt der Klarstellung: Keineswegs wird, wie die Rechtsanwältin schreibt, vom OGH Strafbarkeit wegen Untreue angenommen, wenn die Kreditvergabe im Hinblick auf einen möglichen Vermögensschaden fahrlässig erfolgt ist. Wer, wenn auch leichtgläubig, bei der Kreditvergabe davon ausging, dass die Mittel wieder zurückgezahlt werden, hat – anders als von Hirschbrich angeführt – keine Untreue begangen. Diese strafbare Handlung liegt nur dann vor, wenn neben wissentlichem Missbrauch der Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen, auch ein Schädigungsvorsatz festgestellt wird. Strafbarkeit setzt also voraus, dass der Täter bei der wissentlich missbräuchlichen Kreditvergabe ernstlich für möglich hält und sich damit abfindet, dass die ausgezahlten Mittel verloren sein werden.

Dieses Vorsatzerfordernis muss von den Gerichten in sorgfältiger Beweiswürdigung geprüft und im Fall eines Schuldspruchs im Urteil klar festgestellt werden. Nur unter diesen Voraussetzungen ist eine Beurteilung als Untreue möglich. Nichts anderes ist den von Hirschbrich erwähnten Entscheidungen des OGH zu entnehmen. Am Erfordernis eines Schädigungsvorsatzes hält das Höchstgericht ganz klar in ständiger Rechtsprechung fest. Wer, mag dies auch leichtfertig sein, darauf vertraut, dass der gewährte Kredit zurückgezahlt wird, ist nicht wegen Untreue strafbar.

Um einem anderen Missverständnis vorzubeugen: Von den genannten Kreditvergaben werden von vornherein nur solche Fälle strafrechtlich erfasst, in denen sich der Täter gewiss ist, dass der Kredit nach den maßgeblichen Kriterien keinesfalls hätte gewährt werden dürfen. Es geht also um Situationen, in denen der Täter zwar den Kredit vergeben kann, aber nach den konkreten Umständen nicht vergeben darf und er das auch weiß.

Verlust hingenommen

Das Fazit: Wer einen Kredit nach den Vergaberichtlinien nicht einräumen darf, dies weiß, ihn dennoch bewilligt und dabei den Verlust der ausgezahlten Mittel ernstlich für möglich hält und sich damit abfindet, begeht Untreue.

Untreue ist und bleibt also – selbstverständlich – ein reines Vorsatzdelikt, das von wissentlichem Befugnismissbrauch und hinzutretendem Schädigungsvorsatz geprägt ist. Daran hält die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs konsequent fest.

Dr. Kurt Kirchbacher ist
Senatspräsident des OGH und Honorarprofessor für Strafrecht und Strafprozessrecht an der
Universität Salzburg.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.10.2012)

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