Muss man sich vor CETA fürchten?

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Das Freihandelsabkommen mit Kanada enthält auch für beklagte Staaten Schutzmechanismen, sagen Experten.

Wien.Gestern ein spröder juristischer Fachbegriff, heute ein Reizwort bei fast jeder politischen Diskussion: Über Investitionsschutz wurde noch nie so viel geredet und gestritten wie jetzt, seit bekannt ist, dass die Freihandelsabkommen der EU mit den USA und Kanada solche Schutzklauseln enthalten sollen.

Investitionsschutz beruht auf zwischenstaatlichen Abkommen. Er gibt ausländischen Investoren eine rechtliche Handhabe, wenn ihr Gastland diskriminierende Maßnahmen setzt, die ihre Investition entwerten. Der Investor kann diesen Staat dann verklagen, üblicherweise vor einem Schiedsgericht.

Worum geht es dabei aber konkret? Kern der Sache sei immer der Schutz vor Enteignungen, sagt Günther J. Horvath, Partner bei Freshfields und Spezialist für Schiedsgerichtsbarkeit in kommerziellen wie auch in Staat-Investor-Streitfällen. Die Aufregung hält er für übertrieben und meint, hier seien Ängste geschürt worden.

Nun müssen sich bekanntlich weder in der EU noch in den USA und Kanada Investoren allzu sehr vor Enteignungen fürchten. Die typische Konstellation, in der solche Abkommen ursprünglich meist geschlossen wurden – nämlich zwischen einem Industrie- und einem politisch unsicheren Schwellenland – ist hier nicht gegeben. Dass in den Verhandlungen trotzdem auf den Investitionsschutz gepocht wurde, nährt die Bedenken der Kritiker, die sich Sorgen um europäische Lebensmittel-, Umwelt- und Sozialstandards machen: Sie sehen sich darin bestätigt, dass es eben doch nicht immer nur um Enteignungsschutz im technischen Sinn geht. Sondern sehr wohl auch um andere Gesetzesänderungen, die einem Investor gegen den Strich gehen. Dazu kommt, dass Deutschland bereits aus einem solchen Grund verklagt wurde – nämlich wegen des Ausstiegs aus der Kernenergie.

Schutz vor mutwilligen Klagen

Die bisherige öffentliche Diskussion wurde allerdings geführt, ohne dass der Inhalt der betreffenden Klauseln bekannt war. Inzwischen liegt der Text des Abkommens mit Kanada (CETA) vor, und es zeigt sich, dass da auch Absicherungen für die Staaten gegen mutwillige Klagen enthalten sind, die weiter gehen, als bislang in solchen Abkommen üblich (siehe auch Artikel links). „Investoren können außerdem nicht gegen Gesetze klagen, die dem Allgemeinwohl dienen. Der gesetzgeberische Handlungsspielraum zum Schutz öffentlicher Interessen, wie nationale Sicherheit, Umwelt, öffentliche Gesundheit, bleibt gewahrt“, sagt Horvath und verweist auf ein deutsches Rechtsgutachten, das zu eben diesem Ergebnis kommt. Ebenso sei es ausgeschlossen, dass Investoren sich den Marktzugang erstreiten. Wohl aber könne sich ein Unternehmen etwa dann wehren, wenn es im Ausland erfolgreich ein Produkt erzeugt, das Gastland dann aber eine technische Norm willkürlich so verändert, dass nur mehr ein inländischer Konkurrent sie erfüllt.

Was die Befürchtung der Intransparenz betrifft, wenn Streitigkeiten aus dem CETA-Abkommen vor Schiedsgerichten ausgetragen werden, verweisen sowohl Horvath als auch Christian Aschauer, der künftig an der Uni Graz Schiedsverfahrensrecht lehren wird, auf die neuen UN-Transparenzvorschriften für solche Verfahren, die es seit April gibt (UNCITRAL). Das Abkommen mit Kanada entspreche diesen Vorgaben, sagen beide. Laut Horvath ist es sogar „das erste, bei dem UNCITRAL tatsächlich zur Anwendung kommt“. Das bedeute uneingeschränkte Transparenz: „Sämtliche Dokumente sind künftig öffentlich, sämtliche Anhörungen ebenfalls.“ Man sollte sich „nicht wünschen, dass das in den Papierkorb kommt“, meint auch Aschauer. „Sondern es sollte bei anderen Investitionsschutzabkommen auch gelten.“ Bei vor April 2014 geschlossenen Abkommen kann es vereinbart werden, bei neuen gibt es nur mehr eine Opt-out-Möglichkeit.

Bislang haben die EU-Länder mehr als 1400 bilaterale Investitionsschutzabkommen mit Drittländern abgeschlossen. Ende 2013 waren allein vor dem internationalen Schiedsgericht ICSID, das zur Weltbank gehört, 459 Streitfälle anhängig, pro Jahr kommen etwa 40 neue dazu. In der Mehrzahl der Fälle obsiegen übrigens die von Investoren verklagten Staaten, zumindest ergab das eine Studie der Anwaltskanzlei Allen & Overy. Sie wertete 221 Verfahren aus, in 41 Prozent davon setzten sich die Kläger durch.

AUF EINEN BLICK

Das Freihandelsabkommen zwischen Kanada und der EU (CETA) ist fertig ausverhandelt. Der Text (der sich theoretisch noch ändern kann) umfasst mit Annexen mehr als 1600 Seiten und wurde vor Kurzem im Internet veröffentlicht:

http://trade.ec.europa.eu/doclib/docs/2014/september/tradoc152806.pdf

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.10.2014)

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