Urteil der Woche

Unfälle am Weg ins Flugzeug können Airlines teuer kommen

Symbolbild.
Symbolbild.(c) imago/Jochen Tack (Jochen Tack)
  • Drucken

Stürze von Reisenden auf dem Weg ins Flugzeug können Airlines teuer kommen. Das steht nach der vorgestrigen Entscheidung des deutschen Bundesgerichtshofs fest:

Ein Mann buchte für sich und seine Frau einen Flug von Düsseldorf nach Hamburg. Bis ins Flugzeug schaffte er es aber nicht, denn beim Einsteigen rutschte er auf der Fluggastbrücke an einer feuchten Stelle aus. Die Folgen waren schmerzvoll: Er erlitt bei dem Sturz eine Fraktur der Kniescheibe.

Nachdem er das Luftfahrtunternehmen für seinen Unfall verantwortlich machte, klagte er es auf Schadenersatz in der Höhe von 48.000 Euro für aufgewendete Heilungskosten, erlittene Erwerbsunfähigkeit, Entgeltfortzahlung und Schmerzengeld.

Sowohl die erste als auch die zweite Instanz wiesen sein Begehren ab. Nach der Verordnung des Rates über die Haftung von Luftfahrtunternehmen bei der Beförderung von Fluggästen und deren Gepäck im Luftverkehr habe die Fluggesellschaft nicht zu haften, befand das Oberlandesgericht Düsseldorf. Denn danach sei nur für solche Ereignisse zu haften, bei denen sich eine „luftverkehrstypische Gefahr“ verwirkliche, genau das sei bei dem Sturz des Klägers aber nicht der Fall gewesen. Feuchtigkeit auf dem Boden und die damit einhergehende Rutschgefahr sei schließlich nicht nur im Luftverkehr, sondern in jedem Lebensbereich möglich.

Dem Fluggast missfiel dieses Urteil naturgemäß, er wandte sich an den deutschen Bundesgerichtshof – und dort bekam er recht. Seine Rechtsansicht stützte er auf eine andere Rechtsquelle als das OLG Düsseldorf, nämlich auf das Montrealer Übereinkommen. Demnach seien Flugreisende grundsätzlich vor spezifischen Verletzungsgefahren beim Ein- und Aussteigen in ein Flugzeug geschützt. Überdies berge eine Fluggastbrücke etwa wegen „des konstruktionsbedingt fehlenden Handlaufs“ oder des Gefälles besondere Risiken. Die Fluglinie hat also zur Gänze für den entstandenen Schaden einzustehen, zumal den Fluggast kein Mitverschulden trifft.

Anders entschied übrigens das Amtsgericht München in folgendem Fall. Eine 64-jährige Frau geriet in München beim Einsteigen in die S–Bahn mit ihren Füßen in den 14 Zentimeter breiten Spalt zwischen Bahnsteig und Waggontür. Andere Fahrgäste zogen sie aus dem Spalt, dennoch quetschte sie sich bei dem Manöver die Beine. Für sie stand fest: Schuld an ihren Verletzungen hat die Deutsche Bahn. Unsinn, urteilte das Amtsgericht. Fahrgästen sei es wohl zumutbar, einen 14 Zentimeter breiter Spalt mühelos zu überwinden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.11.2017)


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.