Arbeitgeber sollten sich beim Urlaub besser nicht querlegen

Gleich mehrfach hatte sich der Europäische Gerichtshof  mit dem Thema Urlaubsanspruch zu beschäftigen.
Gleich mehrfach hatte sich der Europäische Gerichtshof mit dem Thema Urlaubsanspruch zu beschäftigen.(c) BilderBox
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Wer darf wann auf Urlaub gehen? Muss der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer nicht konsumierten Urlaub ausbezahlen? Diese Fragen führen zwischen Chef und Mitarbeiter oft zu Streitigkeiten. Der EuGH hatte sich deshalb nun mit gleich mehreren Fällen zu diesem Thema zu befassen.

Wien. Gleich mehrfach hatte sich der Europäische Gerichtshof (EuGH) mit dem Thema Urlaubsanspruch in jüngster Vergangenheit zu beschäftigen.

Auslöser waren einige Fälle, die sich in Deutschland ereignet haben. Die nationalen Gerichte, die damit befasst waren, legten sie dem EuGH zur Klärung vor.

Ein ehemaliger Rechtsreferendar des Landes Berlin hatte sich dafür entschieden, in den letzten fünf Monaten seines Referendariats keinen Urlaub zu beantragen.

Vor dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg forderte er dafür finanziellen Ausgleich. Sein Arbeitgeber argumentierte jedoch, er sei nicht daran gehindert gewesen, den Urlaub zu nehmen. Geld gebe es daher keines für ihn.

In einem zweiten Fall forderte ein früherer Angestellter der Max-Planck-Gesellschaft eine Auszahlung für nicht genommenen Urlaub aus zwei Jahren.

Der EuGH stellte in diesem Zusammenhang Folgendes klar: Der Arbeitnehmer sei im Verhältnis zu seinem Chef die schwächere Partei. Deshalb könne er davor zurückschrecken, auf sein Urlaubsrecht zu bestehen. Wenn der Arbeitgeber hingegen beweisen könne, dass der Arbeitnehmer aus freien Stücken verzichtet habe, dürfe der Urlaubsanspruch oder eine entsprechende Ausgleichszahlung nach EU-Recht verfallen. Dies gelte sowohl für öffentliche als auch für private Arbeitgeber. Die deutschen Gerichte werden nun zu klären haben, ob die Arbeitgeber in den konkreten Fällen die ehemaligen Mitarbeiter daran gehindert haben, ihren Urlaub zu konsumieren.

Österreich ist anders

Ganz allgemein erlischt nach deutschem Recht der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub am Ende des Arbeitsjahres, falls der Arbeitnehmer zuvor keinen Urlaubsantrag gestellt hat. Anders ist die Rechtslage in Österreich, da erlischt er nicht automatisch. Er verjährt allerdings zwei Jahre nach Ende des Urlaubsjahres, in dem er entstanden ist.

Ein Beispiel: Ein Angestellter beginnt am 1. 1. 2015 in einem Unternehmen zu arbeiten. Wenn er in den Jahren 2015, 2016 und 2017 keinen Urlaub verbraucht, verjährt mit 1. 1. 2018 sein Urlaubsanspruch aus dem Jahr 2015. Um die Verjährung möglichst zu vermeiden, ist geregelt, dass bei jeder Urlaubskonsumation der älteste noch offene Urlaub zuerst verbraucht wird.

Wie beurteilen Arbeitsrechtsexperten diese Entscheidungen? „Genaue Dokumentation wird für den Arbeitgeber immer wichtiger“, sagt Arbeitsrechtsexperte Christoph Wolf. „Ich rate daher Arbeitgebern immer dazu, zeitgerecht E-Mails an alle Mitarbeiter zu senden, in denen sie aufgefordert werden, ihre Urlaubsplanung bekannt zu geben.“ Oft würden Mitarbeiter, die viele Überstunden geleistet haben, nämlich keinen Urlaub nehmen, sondern ihre Ferien mit Zeitausgleich abdecken.

„Die Folge: Die Urlaubstage werden nicht konsumiert. Der Arbeitgeber merkt am Ende des Jahres mit Schrecken, dass er hohe Rückstellungen machen muss. Eine geschickte HR-Abteilung versteht das zu verhindern“, sagt Rechtsanwalt Wolf.

Witwen bekommen recht

In den Rechtssachen C-569/16 Bauer und C-570/16 Wimeroth konnten die Arbeitnehmer ihre Urlaubsabgeltung nicht einklagen. Sie waren nämlich während des aufrechten Arbeitsverhältnisses gestorben. Aber ihre Witwen traten auf den Plan und argumentierten, dass sie ein Recht auf ein finanzielles Pendant hätten, zumal ihre Ehemänner zum Todeszeitpunkt noch Urlaubsansprüche gehabt hätten. Beide Arbeitgeber lehnten die Zahlung ab, worauf die Witwen die deutschen Arbeitsgerichte anriefen.

Die deutschen Gerichte waren sich da aber nicht so sicher und wandten sich an den EuGH.

Die Witwen könnten sehr wohl die Auszahlung der bestehenden Urlaubsansprüche ihrer verstorbenen Männer verlangen, stellten die EuGH-Richter klar. Nationale erbrechtliche Vorschriften stünden dem nicht entgegen. Wenn eine Rechtsordnung eines EU-Landes eine solche Möglichkeit ausdrücklich ausschließt, haben künftig die Erbberechtigten die Möglichkeit, sich direkt auf EU-Recht zu berufen, unabhängig davon, ob der Arbeitgeber des Verstorbenen ein privates Unternehmen oder eine Behörde ist.

Um in Österreich Klarheit zu bekommen, hätte es dieser EuGH-Entscheidungen übrigens nicht bedurft. Die Lage ist klar: Stirbt ein Arbeitnehmer, so hat der Arbeitgeber Urlaubsansprüche aus den vergangenen Jahren voll abzugelten. Jene aus dem laufenden Urlaubsjahr sind anteilig bis zum Sterbetag zu berappen. Und für eventuell zu viel konsumierten Urlaub gibt es auch keine Rückzahlungspflicht für die Erben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.11.2018)

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