Wien: Der Kohlenhändler von Neubau

Zu laut, zu unhandlich: Die Kulis, mit denen Peter Hinterhoger bis zu 1000 Kilo Kohle transportieren kann, kommen heute nur mehr selten zum Einsatz.
Zu laut, zu unhandlich: Die Kulis, mit denen Peter Hinterhoger bis zu 1000 Kilo Kohle transportieren kann, kommen heute nur mehr selten zum Einsatz.(c) Clemens Fabry
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Es ist ein aussterbendes Geschäft – wegen warmer Winter, bequemer Zentralheizungen und strenger Umweltstandards. Doch noch hält Peter Hinterhoger mit seiner Kohlenhandlung durch.

Es ist nicht unbedingt die erste Assoziation, die beim Thema Geschäfte im hippen Neubau auftaucht. Und tatsächlich wirkt der kleine Laden in der Kandlgasse aus der Zeit gefallen. „Holz, Briketts, Anthrazit, Koks“ steht auf einem Schild neben der Tür – und darüber schwarz auf gelb „Kohlen Weber“. Einen Herrn Weber gibt es hier zwar schon lang nicht mehr, doch Kohle wird hier nach wie vor verkauft. „Weber hat mein Onkel geheißen“, erzählt Peter Hinterhoger. „Von ihm habe ich das Geschäft übernommen.“ An die 20 Jahre muss das schon her sein. Vorher hat der gelernte Buchbinder bei der Gemeinde Wien Busse repariert – und gelegentlich dem Onkel bei der Arbeit geholfen. Und irgendwann war er dann eben auf einmal selbst Kohlenhändler.

Damals, vor 20 Jahren, da sei das noch ein echtes Geschäft gewesen. Da habe er vier Mitarbeiter beschäftigt – und die mussten an manchen Tagen bis um acht, neun, manchmal sogar zehn Uhr abends Kohle liefern. Heute beschäftigt er nur noch einen Mitarbeiter – und selbst der ist am Nachmittag oft schon wieder daheim. „Es gibt ja keinen Winter mehr heute“, erzählt der 53-Jährige. Keine Kälte, kein Schnee, da interessiert sich auch niemand fürs Heizen. Erst dann, wenn es draußen wirklich ungemütlich wird, würden die Menschen daran denken, dass sie ja Material zum Heizen brauchen.


Baumärkte als Konkurrenz. Ja, es gibt sie noch. Menschen, die ihre Wohnungen mit Öfen beheizen, in denen sie Kohle, Koks, Briketts oder Holz in verschiedenen Formen verbrennen. An die 600 bis 800 Kunden hat allein er in ganz Wien, schätzt Hinterhoger. Viele in alten Zinshäusern, vor allem alte Menschen, die noch mit alten Öfen aufgewachsen sind. Aber auch Junge, die aus eher romantischen Gründen eine Wärmequelle mit fossilen Brennstoffen direkt in der Wohnung befüllen. Kohlengeschäfte sind dagegen mittlerweile selten geworden. Auch, weil es in Baumärkten ebenso Brennmaterial gibt – und sogar in manchen Supermärkten gibt es Holzbriketts oder Kohle zu kaufen.

„Da schaut halt keiner auf die Qualität“, sagt Hinterhoger. Bei seinen Produkten sei nichts beigemengt, sie brennen länger, und bei ihm komme es auch nicht vor, dass feuchtes Holz verkauft wird. Wobei von der schmutzig-verklärten Romantik des Kohlenkellers bei ihm auch nicht mehr viel übrig ist. Die Ware wird geliefert, großteils aus Polen und in Säcken abgepackt. Offen dürfe man Kohle zum Beispiel gar nicht mehr verkaufen. „Wegen der Umwelt.“

Auf etwa 120 Quadratmetern hat er rund 15 Tonnen Brennmaterial eingelagert. Eng gestapelt und geschlichtet reihen sich die Säcke an den Wänden. „Wenn man gut schlichtet, geht es sich aus.“ Und wenn es endlich kälter wird, läuft auch das Geschäft damit wieder an. „Es lagert sich ja keiner mehr etwas ein“, meint Hinterhoger. Und darum breche dann mit dem Kälteeinbruch bei vielen die Panik aus – und für ihn wird es dann stressig.

Gegen 6.30 Uhr in der Früh macht er seine erste Lieferung. Trägt jeweils zwei Säcke zu 25 Kilo vor allem die geschwungenen Altbautreppen hoch. Hinauf über die Stiegen – denn in vielen Häusern gebe es keine Aufzüge. Und selbst wenn, dürften sie die oft nicht verwenden. „Da sagen die Bewohner, das ist kein Lastenaufzug.“ Geliefert wird trotzdem – bis in die Wohnung und ohne Extrageld dafür, wenn diese im Haus ganz oben ist. Trinkgeld gebe es kaum. Und die Zeiten, in denen man noch auf einen Kaffee oder einen Schnaps geblieben sei, die seien auch längst vorbei. „Dafür hätte ich doch gar keine Zeit.“ Es ist eine schwere, eine körperliche Arbeit. Und eine, die nur in der kalten Saison läuft. Juli und August ist das Geschäft überhaupt geschlossen. Wirklichen Nachwuchs kann er also kaum brauchen – er würde abgesehen davon aber ohnehin keinen finden: „So eine Arbeit macht heute keiner mehr.“


Bald ist es vorbei. Dass der Einzelhandel mit Kohle und Brennstoffen nicht mehr das große Geschäft ist, das ist Hinterhoger klar. „So wirklich Spaß macht das nicht mehr“, meint er. Nicht nur, weil der Verkauf nicht floriert, sondern auch wegen vieler Auflagen. „Die Registrierkassa, viele Umweltvorschriften, es gibt keine Parkplätze. . .“ Zwei Mal hat er sich schon bei anderen Firmen beworben, bis jetzt ohne Erfolg. Und so betreibt er sein Geschäft noch weiter – die kleine Kohlenhandlung im Hipsterbezirk. „Aber früher oder später wird es ganz vorbei sein“, meint er. „Ich glaube nicht, dass es das Geschäft noch zehn Jahre geben wird.“

Kohlen Weber

Das Geschäft in der Kandlgasse 16 in Wien-Neubau hat Peter Hinterhoger 1996 von seinem Onkel übernommen. Das Namensschild über der Tür hat er nicht verändert, daher steht dort nach wie vor der Name des Onkels.

Wirtschaftlich ist die Lage für ihn schwierig. Weil weniger Menschen noch mit Kohle, Koks oder Holz heizen. Wegen der Konkurrenz durch Baumärkte und Supermärkte, die Brennstoff anbieten. Und weil der Klimawandel dafür gesorgt hat, dass es kaum mehr wirklich kalte Winter gibt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.11.2016)

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