Standhafte Zinnsoldaten

Gerhard Urbanke – hier bei seinem Stand auf dem Adventmarkt auf dem Karlsplatz – ist einer der letzten Zinnfigurenmaler Österreichs.
Gerhard Urbanke – hier bei seinem Stand auf dem Adventmarkt auf dem Karlsplatz – ist einer der letzten Zinnfigurenmaler Österreichs.(c) Clemens Fabry
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Gerhard Urbanke ist einer der letzten Zinnfigurenmaler Österreichs. In Handarbeit stellt er Ornamente und Zinnfiguren her. Mit Letzteren will er auch Wissen vermitteln.

Ihre Geschichte reicht noch viel weiter zurück, als die meisten Menschen wissen. Ab Mitte des 18. Jahrhunderts fanden sie sich jedenfalls in immer mehr Kinderzimmern: die Zinnsoldaten.

In Bubenzimmern, um genau zu sein. Die Mädchen bekamen Puppen, die Buben Zinnsoldaten, um sie auf die ihnen zugedachten Rollen als Erwachsene vorzubereiten. Auch wenn das Spielzeug heutzutage vielfach immer noch die Geschlechterklischees bedient: Zinnsoldaten sind kaum noch in Kinderzimmern zu finden, bestenfalls verstauben sie in den Vitrinen von passionierten Sammlern.

Und die Wahrscheinlichkeit, dass diese Sammler Zinnfiguren besitzen, die aus Gerhard Urbankes Atelier stammen, ist hoch: Urbanke ist einer der letzten – wenn nicht sogar der letzte – gewerbliche Zinnfigurenmaler Österreichs. Jedes Stück – ob Soldat, eine andere Figur oder weihnachtliche Ornamente – wird von ihm entworfen: Zunächst malt er eine Skizze, dann graviert er die Form in Schieferstein. „Das ist dann die Form, in der die Figuren aus Zinn gegossen werden“, sagt Urbanke. Danach werden sie bemalt – ebenfalls alles händisch, jedes Stück ist also ein Unikat.

Reines Zinn. Wer Urbankes Figuren betrachtet, ob es nun ein Engel in weißem Kleid ist, ein Kater, der Geige spielt, oder auch der Krampus, wird nicht selten von einem „Es war einmal“-Gefühl eingeholt. Viel Nostalgie, das bringen seine Figuren mit sich, und da verwundert es wenig, dass die Weihnachtszeit umsatzmäßig auch die stärkste Zeit für Urbanke ist.

Deswegen betreibt er derzeit auch auf gleich zwei Wiener Weihnachtsmärkten Stände. Auf jenem vor dem Schloss Schönbrunn ist er mit einem seiner Unternehmen, der Wiener Miniaturenwerkstatt, die er mit Geschäftspartnerin Imke Behrens betreibt, vertreten: Hier bieten die beiden ein eher breites Angebot. (Sofern man bei handgefertigten Zinnfiguren überhaupt von „breit“ sprechen kann.)

Auf dem Adventmarkt vor der Karlskirche wiederum ist Urbanke als Kunsthandwerker mit einem Stand präsent und bietet (noch) aufwendigere Werke an: Eine Vitrine ist den Zinnsoldaten gewidmet, hauptsächlich aber gibt es hier weihnachtlichen Schmuck und Dekorationsgegenstände aus Zinn. Sehr beliebt bei den Kunden sind ein kleiner, bemalter Tannenbaum zum Aufstellen, Ornamente für den Christbaum in diversen Motiven oder auch Miniaturkrippen. Die meisten Stücke sind bemalt, es gibt aber auch einige unbemalte, weil manche Kunden das gern so wollen.

Die Figuren und der Schmuck bestehen dabei aus reinem Zinn – nur bei manchen sei es ob der Gussform nötig, andere Bestandteile, allen voran Blei, hinzuzufügen. „Mein Anspruch ist aber, so oft es geht, mit der reinen Zinnlegierung zu arbeiten.“ Dies sei auch eine Frage der Qualität: Wird zu viel Blei zugefügt, verfärbt sich die Figur.

Bemalt werden die Figuren mit Lack- und Emailfarben, die sich Urbanke und Behrens mischen lassen. Früher haben sie Farben aus dem Modellbaubereich verwendet, „da ist aber die Qualität zu schlecht geworden“. Acrylfarben wiederum würden sich an den scharfen Kanten zu leicht ablösen. „Unsere Farben müssen grifffest sein, sie dürfen sich nicht abnützen und müssen unbedenklich sein.“

Denn eines soll man mit seinen Zinnfiguren unbedingt tun: Sie in die Hand nehmen, mit ihnen spielen, sie berühren. Vom reinen Sammeln hält er wenig, auch wenn viele seiner Kunden die Figuren nur in Schaukästen hüten. Dass man Kindern erklärt, sie sollen die wertvollen Sammlerstücke nicht berühren, habe auch dazu beigetragen, dass die Zinnfigur in Vergessenheit geraten ist und es auch nicht mehr allzu viele Zinnfigurenmaler gibt. Wer ständig „Greif das nicht an“ hört, verliert das Interesse. „Dabei können Kinder bei den Figuren oft mehr Sorgfalt aufbringen als Erwachsene“, sagt Urbanke. Um das „kleine Publikum“ zu pflegen (viele seiner Kunden kennt er seit Jahren, sie sind quasi als Zinnfigurensammler neben ihm groß geworden), hat er auch immer Zinnsoldaten um vier oder fünf Euro im Angebot. „Ein Kind, das Zinnsoldaten sammeln will, soll sie sich auch leisten können.“

Urbanke hat an seine Zinnfiguren nicht nur einen ästhetischen Anspruch und versteht sich als „Traditionspfleger ohne irgendeine Tümelei“, vielmehr sieht er sie auch als Vermittler von geschichtlichem Wissen. „Mit einer Figur in der Hand kann man viel mehr Wissen transportieren als mit Vorträgen, die leicht leblos wirken.“ So erzählt ein Soldat anhand seines Gewandes nicht nur etwas über Uniformkunde und Militärgeschichte, sondern auch allgemein über die Epoche, aus der er stammt. Das Wissen lasse sich aber nicht nur mit Zinnsoldaten vermitteln: Es gibt auch sonst zahlreiche historische Figuren aus Zinn, Urbanke verkauft etwa auch Kaiser Franz Joseph hoch zu Ross. „Zu jeder Epoche gibt es die dazupassende Zinnfigur.“

Im nächsten Jahr, wenn sich Maria Theresias Geburtstag zum 300.Mal jährt, plant Urbanke eine eigene kleine Zinnfigurenschau als „Streifzug durch ihr Leben“. Überhaupt träumt Urbanke von einem Zinnfigurenmuseum. Ein solches gibt es zwar in Katzelsdorf (NÖ), „eine Stadt wie Wien würde sich aber auch eines verdienen“. Anhand der Figuren könnte man etwa die Stadtgeschichte nacherzählen.

Info

Wiener Miniaturenwerkstatt,9., Bindergasse 6/1, Besuch des Ateliers nach Vereinbarung. www.wienerminiaturenwerkstatt.at

Die Miniaturenwerkstatt ist derzeit auf dem Kultur- und Weihnachtsmarkt beim Schloss Schönbrunn vertreten. (bis 26.12.). www.weihnachtsmarkt.co.at

Auch beim Art-Advent auf dem Karlsplatz (bis inklusive 23.12.) betreibt Gerhard Urbanke einen Stand mit Weihnachtsfiguren, -ornamenten und Soldaten aus Zinn. www.artadvent.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.12.2016)

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