Chinas Griff in Daimlers Lenkrad

Wer so freundlich lächelt, kann doch nichts Böses im Schilde führen: Daimlers neuer Großaktionär und Geely-Gründer Li Shufu.
Wer so freundlich lächelt, kann doch nichts Böses im Schilde führen: Daimlers neuer Großaktionär und Geely-Gründer Li Shufu.(c) REUTERS (HANNIBAL HANSCHKE)
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Die Sicht der Märkte ist klar: Der Einstieg des chinesischen Großinvestors Li Shufu nützt dessen Firma Geely und schadet Mercedes. Branchenexperten sehen aber strategische Chancen.

Wien. Das Votum der Börsianer ist eindeutig ausgefallen: Mit einem Minus von zeitweilig 1,4 Prozent war die Daimler-Aktie am Montag einer der wenigen Verlierer in einem sonst freundlichen Umfeld für DAX und Eurostoxx. Die Anleger reagierten nervös auf den Einstieg eines chinesischen Großinvestors beim deutschen Autobauer. Fast zehn Prozent der Anteile hat der Milliardär Li Shufu am Freitagabend erworben und sich damit auf einen Schlag zu dem bei Weitem wichtigsten Einzelaktionär gemacht. Mit diesem Ausmaß hatte niemand gerechnet. Genau genommen kauft Geely, der von dem Selfmademan gegründete und geleitete Autokonzern. Der Firmenname bedeutet „Glück“, und glücklich schätzen können sich dessen Aktionäre: Die Aktie legte in Hongkong um 6,5 Prozent zu.

Ist der Einstieg also gut für die Chinesen, aber schlecht für die Stuttgarter? Es gibt handfeste Gründe für die negative Reaktion. Geely ist für Mercedes bisher kein Partner, sondern ein Rivale. 2010 kaufte Li Shufu von Ford den schwer angeschlagenen schwedischen Autobauer Volvo und brachte ihn wieder auf Vordermann. Im Vorjahr stieg er auch bei dem (1999 abgetrennten) Lastwagenhersteller Volvo Trucks ein – einem der größten Konkurrenten der Lkw-Sparte von Mercedes. Das schafft nun eine peinliche Situation: Üblicherweise gebührt einem so wichtigen Investor ein Sitz im Aufsichtsrat. Dort geht es aber um wichtige strategische Fragen, die man nur mit solchen Partnern gern diskutiert, denen man voll vertraut.

Zu viele Partner vor Ort

Zwar ist im Kontrollgremium seit dem Vorjahr auch der Staatsfonds von Kuwait vertreten, mit 6,8 Prozent Anteil bisher der größte Einzelaktionär. Aber die Scheichs wollen nur schöne Renditen sehen und mischen sich kaum ein.

Li Shufu hingegen möchte den Kurs mitbestimmen. Vor allem geht es ihm um eine Kooperation bei der Elektromobilität, die in China einen staatlich verordneten Boom erlebt. Hier vorn dabeizusein, ist natürlich auch im Interesse Daimlers. Aber dazu haben die Deutschen bereits starke Partner vor Ort: Das Gemeinschaftsunternehmen mit BAIC arbeitet gerade an einem neuen Elektroauto der Marke EQ. Just am Sonntag kündigte Daimler an, die Produktionskapazitäten des Joint Ventures um fast zwei Mrd. Dollar auszubauen. Dazu kommt eine Kooperation mit dem Stromantrieb-Pionier BYD in Shenzhen.

Der Investor gesellt sich also ungefragt dazu, er passt nicht ins Konzept. Mehr noch: Daimler droht ein Audi-Schicksal. Die VW-Tochter versuchte im Vorjahr, in China einen zweiten Mitstreiter ins Boot zu holen, und zog sich damit den Zorn des angestammten Partners zu. Dessen Händler boykottierten monatelang die Verkäufe und bescherten den Ingolstädtern schwere Umsatzeinbrüche. Für Partner vor Ort, die sich gegenseitig das Geschäft streitig machen, ist auch im Reich der Mitte kein Platz.

Dennoch sehen oft zitierte Branchenexperten wie Ferdinand Dudenhöffer und Willi Diez in der aufgezwungenen Allianz eine Chance. Was Daimler mit seiner kleinteiligen Eignerstruktur bisher fehlte, ist ein Ankeraktionär, der Stabilität bietet und vor feindlichen Übernahmen schützt – so wie die Familien Quandt bei BMW und Porsche/Piëch bei VW. Auch wenn Li Shufu kein Wunschpartner ist, kann man ihn mit einigem guten Willen in dieser Rolle sehen. Zudem versteht der Bauernsohn, der sich zum zehntreichsten Chinesen (mit einem Vermögen von 16,5 Mrd. Dollar) hochgearbeitet hat, eindeutig etwas vom Geschäft. Auch seine Vision erscheint plausibel: Im digitalen Wandel der Branche bleiben gegen Google & Co. nur mehr wenige traditionelle Anbieter übrig. Hier habe Mercedes gute Chancen – ein Grund, seine Milliarden dort zu investieren.

Die beruhigenden Statements der Experten trugen wohl dazu bei, dass sich der Daimler-Kurs am Nachmittag wieder etwas erholte. Aber die Skepsis bleibt. (red)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.02.2018)

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