Die Ex-Grünen-Chefin wird Nachhaltigkeitsmanagerin beim Glücksspielkonzern Novomatic. Verbote sieht sie kritisch: "Man kann Glücksspiel nicht wegverbieten".
Im Mai 2017 gab Eva Glawischnig-Piesczek die Führung der österreichischen Grünen ab. Dann wurde es ruhig um die Politikerin. Nun sorgt sie für den spektakulärsten Jobwechsel der jüngeren heimischen Politik- und Wirtschaftsgeschichte: Glawischnig arbeitet ab sofort bei Europas größtem Glücksspielkonzern - der österreichischen Novomatic. Dort wird sie die Stabstelle für Nachhaltigkeitsmanagement und verantwortungsvolles Spiel führen.
Der Wechsel der Grünpolitikerin kommt auch deshalb so überraschend, weil die gebürtige Kärntnerin zu den schärfsten Kritikerinnen des Glücksspiels zählte. Nicht nur einmal hat Glawischnig für eine Verschärfung der Spielbedingungen gestimmt. Auch war sie für das generelle Automatenverbot in Wien.
Heute sieht sie das anders - ganz im Sinne ihres neuen Arbeitgebers: "Wenn Glücksspiel strengen Regeln unterworfen ist, dann ist das vertretbar", sagte sie am Freitag bei ihrer Vorstellung durch Novomatic-Boss Harald Neumann. Glücksspiel sei ein gesellschaftlicher Faktor. Und deshalb: "Man kann Glücksspiel nicht wegverbieten." Dennoch betonte sie: "Ich werde meinen kritischen Geist nicht aufgeben."Für Neumann ist das kein Problem - im Gegenteil: "Es ist sehr gut für ein Unternehmen, nicht nur Jasager zu haben."
An der Novomatic haben Glawischnig, die auch von anderen Unternehmen Angebote erhalten hat, gleich mehrere Dinge gereizt: "Internationalität, Innovation und High Tech als gesellschaftliche Herausforderung".
Damit dürfte sie auf wenig Gegenliebe bei ihrer Heimatpartei stoßen. Die Grünen sind traditionell kritisch beim Thema Glücksspiel. In Niederösterreich bemühen sich die Grünen aktuell um ein Verbot des "kleinen Glücksspiels". Ganz nach dem Vorbild Wiens, wo es bereits seit über zwei Jahren ein Verbot gibt. Auch in Hinblick auf die Landtagswahlen, die am kommenden Sonntag in Kärnten stattfinden, dürfte Glawischnig ihrer Partei mit dem neuen Job keinen guten Dienst erweisen: Für die Grünen in Kärnten - wo Glawischnig-Piesczek pikanterweise herkommt - geht es dabei ums politische Überleben.
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Glawischnig war von 2008 bis 2017 Bundessprecherin und Klubobfrau der Grünen. Von 1999 bis 2017 saß sie im Nationalrat.
Nach einem knappen Jahr Auszeit hat Eva Glawischnig einen neuen Job: Sie wird sich beim Glücksspielkonzern Novomatic um das Nachhaltigkeitsmanagement kümmern. An Novomatic reize sie die "Internationalität, Innovation und High Tech als gesellschaftliche Herausforderung", sagt sie in einer ersten Stellungnahme. Und Glücksspiel sei ein gesellschaftlicher Faktor. Und deshalb: "Man kann Glücksspiel nicht wegverbieten." APA/HERBERT-PFARRHOFER
Erst im Mai 2017 hatte Glawischnig die Politik verlassen. Mit ihr haben die Grünen ihre bisher größten politischen Erfolge eingefahren - allen voran den Sieg Alexander Van der Bellens bei der Bundespräsidentenwahl. Nach achteinhalb Jahren an der Parteispitze gab die gebürtige Kärntnerin im vergangenen Mai überraschend ihren Rücktritt bekannt. Ein Rückblick auf ihren politischen Werdegang. APA/GEORG HOCHMUTH
Als Langzeitparteichef Alexander Van der Bellen nach der Nationalratswahl 2008 von der Parteispitze abtrat, war die langjährige "Kronprinzessin" Glawischnig zwar die logische Nachfolgerin. Die Ausgangslage der heute 48-Jährigen war allerdings durchaus schwierig: Unter Van der Bellen hatten die Grünen erstmals zweistellige Ergebnisse auf Bundesebene geschafft, und ob die Ökopartei das auch ohne ihr bürgerliches Aushängeschild schaffen würden, galt vielen als zweifelhaft. APA/HANS PUNZ
Doch Glawischnig überzeugte: Bei der Nationalratswahl 2013 schafften die Grünen das beste Ergebnis der Parteigeschichte (12,4 Prozent). Die Regierungsbeteiligung in Oberösterreich wurde zwar an die FPÖ verloren, dennoch regieren die Grünen derzeit in fünf Bundesländern mit (Wien, Kärnten, Salzburg, Tirol und Vorarlberg). Und seit Jänner sitzt erstmals ein grüner Bundespräsident in der Hofburg. Die Presse
Unmittelbar nach dem Urnengang im Dezember 2016 begann es jedoch zu kriseln: Den Anfang machte ein Konflikt mit dem Langzeitabgeordneten Peter Pilz, der nach der gewonnenen Präsidentschaftswahl zum wiederholten Mal eine Strategiedebatte vom Zaun brach. Pilz traf sich mit anderen Kritikern, die dem Führungsteam um Glawischnig vorwarfen, im Kampf um Wählerstimmen zu stark auf stromlinienförmiges Politmarketing zu setzen und den inhaltlichen Kurs zu verwischen. (Bild aus dem Jahr 2007, Van der Bellen, Glawischnig, Pilz) APA
Im März 2017 eskalierte schließlich der Konflikt mit der Führung der "Jungen Grünen": Weil die bei der ÖH-Wahl eine Abspaltung der offiziellen Grünen Studentenvertretung (Gras) unterstützen wollten, drehte die Partei der Jugendorganisation den Geldhahn zu. Zwar trat der Vorstand der Jungen Grünen und Glawischnig-Kritikerin Flora Petrik zurück. Intern gab es allerdings viel Kritik am Krisenmanagement der Parteispitze. Dazu kamen gesundheitliche Probleme: Anfang April erlitt Glawischnig einen allergischen Schock und musste eine Woche pausieren. APA/GEORG HOCHMUTH
Den nun anlaufenden Nationalratswahlkampf wollte sich Glawischnig nun offenbar nicht mehr antun. Dabei hatte sie schon vor ihrer Kür zur Parteichefin gezeigt, dass sie Wahlkampf kann - und dass die medial oft ein wenig unterkühlt wirkende Juristin auch den Bürgerkontakt nicht scheut: Im Landtagswahlkampf 2004 übersiedelte sie kurzerhand nach Kärnten, tourte mit Spitzenkandidat Rolf Holub durch die Wirtshäuser des Landes und ermöglichte den Grünen damit erstmals den Einzug in den Kärntner Landtag. APA/GERT EGGENBERGER
Geboren wurde Eva Glawischnig am 28. Februar 1969 in Seeboden am Millstätter See. Die Schulbank drückte sie unter anderem mit dem heutigen FPÖ-Generalsekretär Herbert Kickl. Ins Rampenlicht zog es die Wirtstochter schon früh: Bereits mit 18 Jahren war sie als Keyboarderin der "Gerald Gaugeler Band" mit dem Song "Gelati" in den Top 10 der Austro-Hitparade, davor spielte sie in der "Hausmusik Glawischnig" am Hackbrett. APA/ROLAND SCHLAGER
Drei Jahre später schaffte Glawischnig als Spitzenkandidatin der Wiener Grünen den Sprung in den Nationalrat. Dort konnte sie sich als Umweltsprecherin rasch etablieren und rückte 2002 zur stellvertretenden Parteichefin auf. Im selben Jahr dann ein Rückschlag für die ehrgeizige Kärntnerin: Bei den Koalitionsverhandlungen mit der ÖVP war sie schon als Umweltministerin einer schwarz-grünen Regierung gehandelt worden, doch die Gespräche scheiterten. APA/GEORG HOCHMUTH
Während ihres Studiums in Graz baute Glawischnig praktisch im Alleingang die Landesgruppe von Global 2000 auf. Aus der gemeinsamen Zeit bei der Umweltorganisation stammt auch die langjährige Freundschaft mit der Wiener Umweltstadträtin Ulli Sima von der SPÖ. Glawischnigs Start in die Parteipolitik über die Wiener Grünen war dagegen ein Fehlstart: Bei den Landtagswahlen 1996 verfehlte sie den Einzug in den Landtag und arbeitete ohne Mandat als Umweltsprecherin der Wiener Grünen. 2006 wurde sie Dritte Nationalratspräsidentin. APA/ROLAND SCHLAGER
Kritik brachte Glawischnig auch ihre Nähe zu den Society-Seiten des Landes ein: Ihre Hochzeit mit dem TV-Moderator Volker Piesczek im Jahr 2005 wurde ebenso öffentlichkeitswirksam vermarktet wie ihre anschließende Schwangerschaft. In der Folge ging Glawischnig merkbar auf Distanz, ihre beiden Söhne versucht sie bis heute aus der Öffentlichkeit völlig herauszuhalten. APA/HERBERT P. OCZERET
Immer wieder gab es Häme von den anderen Parteien: So wurde Glawischnig vom damaligen Nationalratspräsidenten Andreas Khol (ÖVP) einst als "radikale, aber wunderschöne Marxistin" bezeichnet. Die Grüne Frontfrau schenkte aber den anderen Parteien nichts. Einige "Sager" von Glawischnig: "Der sich virusartig ausbreitende Realitätsverlust scheint von der FPÖ auf die ÖVP übergesprungen zu sein", die "unverschämte" Parteienförderung in Kärnten für FPÖ, SPÖ und ÖVP, "Haider ist ein Pensionsräuber", "Schüssel ein unehrlicher Spieler" oder "Schwarz-Blau ist ein totes Projekt". APA/HERBERT PFARRHOFER
Lieblingsmusikstil: Gutes aus allen Genres von Klassik (Puccini, Beethoven) über Jazz, Funk, Soul (von Ray Charles bis Vienna Art Orchestra und Vienna Scientists) aber auch Michael Jackson oder Prince. Seit dem Regierungswechsel wieder vermehrt Kärntner Lieder. Lieblingsbuch: Douglas R. Hofstadter: "Gödel, Escher, Bach" Hobbys: Laufen, Musik, Sport, Zeit in der Natur, Wandern APA/ROBERT JAEGER
Sehen wir es nüchtern: Eine Ex-Politikerin geht in die Wirtschaft und belastet das Gemeinwohl nicht mehr, indem sie Arbeitslose, Mindestsicherung oder einen künstlich geschaffenen öffentlichen Arbeitsplatz bezieht.
Eva Glawischnig wechselt zu dem Konzern, dem sie als Grünen-Chefin noch vor einem Jahr Gesetzeskauf vorgeworfen hat. Die Grünen sind empört bis entsetzt - und wollen "die Machenschaften dieses Konzerns weiterhin kritisieren".
Der steirische Grünen-Chef pocht auf die Ruhestellung der Parteimitgliedschaft von Glawischnig. Sie habe den Kärntner Grünen knapp vor der Wahl einen "Bärendienst" erwiesen.