Der irische Billigflug-Riese Ryanair legt für den Kauf von 75 Prozent an Laudamotion und eine Anschubfinanzierung knapp 100 Millionen Euro auf den Tisch. Lauda bleibt der Chef.
Niki Lauda und Michael O'Leary: Diese Kombination verspricht alles andere denn Langeweile in Europas Luftfahrt. Der eine ist dreifacher Formel-1-Weltmeister und dreifacher Airline-Gründer. Der andere gilt als Enfant terrible der Luftfahrtbranche schlechthin. Er hat eine defizitäre Regionalfluglinie zur Ryanair gemacht – Europas größter Billigairline und Nummer zwei nach Passagieren knapp hinter der Lufthansa. Jetzt sind die beiden Partner, wie Lauda am Dienstag an Bord eines Testflugs verkündete.
Die Ryanair übernimmt vorerst 24,9 Prozent der neuen Laudamotion und will, die Genehmigung der EU-Wettbewerbsbehörde vorausgesetzt, auf 75 Prozent aufstocken. Dafür zahlen die Iren mit knapp 50 Mio. Euro nahezu die Summe, um die Lauda die insolvente Air-Berlin-Tochter Niki gekauft hat.
Was freilich noch wichtiger ist: Die Ryanair, die sich ebenfalls für Niki interessiert hatte und beim Übernahmepoker gegen Lauda angetreten war, lässt weitere 50 Mio. Euro für den Betrieb in der Startphase springen. Weiters stellt Ryanair sechs Flugzeuge zur Verfügung. „Damit besteht die Laudamotion-Flotte aus 21 Flugzeugen, so viel, wie wir uns vorerst vorgenommen haben“, sagt Lauda. Die anderen Maschinen werden von der Lufthansa zurückgeholt.
Gegründet und verkauft
Die Ryanair-Boeings 737 (die Billigairline fliegt ausschließlich Maschinen des US-Konzerns und will diversifizieren) werden samt Crews aus Berlin starten, aber unter der OE-Kennung der Laudamotion. Womit deren deutsche Start- und Landerechte (Slots) gesichert sind. Insgesamt verfügt Laudamotion über 40.000 Slots. Die restlichen Flugzuge starten von Zürich, Düsseldorf, Stuttgart, Köln, München, Frankfurt und Wien.
Lauda hat damit das Kunststück vollbracht, dreimal eine Airline zu gründen und sie dreimal gut zu verkaufen: So schnell wie diesmal ging es bei der Lauda Air (2001 an die AUA) und Niki (2011 an Air Berlin) allerdings nicht. War alles schon beim Niki-Kauf ausgemacht? „Nein“, sagt Lauda im Gespräch mit der „Presse“. „Nach dem Zuschlag am 23. Jänner habe ich mir überlegt, mit wem ich am besten die neue Airline hochkriege.“ Vor 14 Tagen habe er O'Leary kontaktiert und sei mit ihm schnell handelseins geworden. Noch vor einer Woche meinte er zu Gerüchten, er könnte mit der Ryanair zusammenarbeiten: „Ich weiß von null.“
„Wir freuen uns gemeinsam mit Niki Lauda, seine Vision einer erfolgreichen österreichischen Billigairline zu entwickeln“, betonte O'Leary. Für Lauda wichtig: „Ich behalte das Steuer in der Hand, Laudamotion bleibt österreichisch.“ Ryanair sei der „Turbo“. Die Iren werden Flüge und Tickets vermarkten. Für die Passagiere bedeute das größere Flugauswahl und günstige Tarife, für die Mitarbeiter Jobsicherheit. „Da müssen sich die Konkurrenten fest anschnallen.“ Schon im dritten Jahr der Partnerschaft soll es schwarze Zahlen geben.
Ryanair verbindet mit 87 Basen und 400 Flugzeugen 35 Länder in Europa. In den ersten drei Quartalen des Geschäftsjahres 2017/18 stieg der Nettogewinn um elf Prozent auf 1,4 Mrd. Euro. Die Airline hat 13.000 Mitarbeiter, 2017 gab es knapp 130 Millionen Passagiere. Zur Größe Ryanairs sagte Lauda: "Ich bin ein Zwerg, der nie aufhört." Er brauche Ryanair, damit Laudamotion schnell wachsen könne, so Lauda: "Alleine kann ich nur langsam wachsen."
Der Einstieg bei Laudamotion bringt auch den Iren Vorteile: Ryanair, für die Großbritannien mit 35 Prozent der Flüge der größte Markt ist, hat nach dem Brexit ein Bein in Kontinentaleuropa.
Betriebsrat geht zu Eurowings
Die Thomas-Cook-Tochter Condor, schon im Bieterprozess an Bord, bleibt wichtiger Partner: Sie übernimmt Verkehrsleitstelle und Crewplanung, Vertrieb und Vermarktung. Zudem will Lauda auch Maschinen (ohne Crews) an die Lufthansa-Tochter Eurowings verleasen. Das prüfen gerade Bundeswettbewerbsbehörde und deutsches Bundeskartellamt.
Eine Stellungnahme von Betriebsratschef Stefan Tankovits erhielt „Die Presse“ nicht – weil er nicht mehr Belegschaftsvertreter ist. Er verlässt die Laudamotion. Ein neuer Betriebsrat wird in vier Wochen gewählt. Ungeachtet dessen wird ein neuer Kollektivvertrag für die Laudamotion-Mitarbeiter verhandelt.
Am 4. April 1979 gründet der damals noch zweifache Formel- 1-Weltmeister Niki Lauda die Lauda Air. Mit zuerst zwei und später drei Fokker F-27 nimmt sie den Flugbetrieb auf. Unter anderem auf der Strecke Klagenfurt-Hamburg, wie dieses Foto aus dem Jahr 1981 zeigt. (c) imago/ZUMA Press (imago stock&people)
Da die Lauda Air es nicht schafft, ein profitables Streckennetz aufzubauen, wird der Flugverkehr Anfang 1983 wieder eingestellt. Lauda konzentriert sich stattdessen erneut auf die Formel 1 und wird ein Jahr später - 1984 - auch zum dritten Mal Weltmeister. (c) imago/ZUMA/Keystone (imago stock&people)
Zwei Jahre später, im Jahr 1985, erfolgt der zweite Anlauf. Mit mehreren Düsenjets, zuerst von BAC und später von Boeing, startet die Lauda Air zuerst mit dem Kurz- und Mittelstreckengeschäft, das allerdings schon bald um die Langstrecke erweitert wird. (c) imago/teutopress (imago stock&people)
1990 erhält die Lauda Air die weltweite Linienflugkonzession. Bis dahin für viele Österreicher unbekannte Ziele wie Bangkok werden zu gängigen Reisedestinationen. Der Werbespruch "Service is our success" prägt sich durch hartnäckiges Marketing bei fast jedem im Land ein. Für die größte Aufregung sorgen jedoch die Lauda-Uniformen: Jeans bei Stewardessen - das kannte man so bisher nicht. (c) imago/McPHOTO (imago stock&people)
Am 26. Mai 1991 gibt es dann jedoch einen tragischen Rückschlag für das junge Unternehmen. Beim Lauda-Flug 004 von Hongkong über Bangkok nach Wien setzt bei der Boeing 767 über dem thailändischen Dschungel selbstständig die Schubumkehr ein. Die Maschine stürzt ab, alle 223 Insassen kommen ums Leben. Es ist bis dato die größte Katastrophe der österreichischen Luftfahrt. APA
Aber auch wirtschaftlich läuft es nicht mehr so rund wie geplant. 1993 steigt die deutsche Lufthansa über ihre Tochter Condor bei Lauda ein. 1997 startet dann auch die strategische Partnerschaft mit dem "Erzfeind" AUA. Die damals noch staatliche Fluglinie beteiligt sich mit 36 Prozent an der Lauda Air. Imago
Der Machtkampf zwischen Niki Lauda und AUA-Vorstand Mario Rehulka eskaliert immer stärker. Lauda verliert und tritt im Oktober 2000 als Vorstandsmitglied zurück. Auch Fliegen darf er nicht mehr. Ein Jahr später übernimmt die AUA auf Druck der Politik die Lauda Air komplett - samt eines riesigen Schuldenbergs. APA
Doch bereits 2002 kauft Lauda die insolvente Aero Lloyd Austria und startet 2003 erneut mit einer Fluglinie: der Billig-Fluggesellschaft FlyNiki - die später auf nur noch Niki umbenannt wird. EPA
Aber auch Niki bleibt nicht lange eigenständig. Bereits im Jahr 2004 steigt die deutsche Air Berlin mit 24 Prozent ein. Im Jahr 2010 erhöhen die Deutschen ihren Anteil bereits auf 49,9 Prozent. Hofmeister
Im Rahmen dieses Deals erhielt Lauda ein Darlehen in Höhe von 40,5 Millionen Euro. Dieses konnte er in bar oder durch den Übertrag der restlichen Niki-Anteile begleichen. Er entscheidet sich für letzteres und geht 2011 auch bei der zweiten von ihm gegründeten Fluglinie von Bord. APA/BARBARA GINDL
Die Lauda Air wurde in der Zwischenzeit voll in die AUA integriert und ist nur mehr eine Marke der inzwischen selbst zur Lufthansa gehörenden Gesellschaft. Anfang 2013 wird auch die Marke aufgegeben und die Maschinen wechseln ins AUA-Design. Die Lauda Air ist Geschichte. Fabry
Trotz jahrelanger Millionenspritzen von der arabischen Etihad findet Air Berlin für ihre Tochter Niki kein tragfähiges Geschäftsmodell. Im August 2017 melden die Deutschen Insolvenz an, am 13. Dezember folgte die Niki-Pleite. Eigentlich sah alles danach aus, als ob die Fluglinie an die britisch-spanischen Gruppe IAG/Vueling geht, dann am 23. Jänner die überraschende Wende: Im dritten Anlauf kommt doch Gründer Niki Lauda zum Zug. APA/AFP/ALEX HALADA
Lauda, der Niki 2003 gründete und später an Air Berlin verkaufte, erhält im Jänner 2018 mit seiner Firma Laudamotion den Zuschlag für die österreichische Gesellschaft und bremste damit den spanisch-britischen Konzern IAG aus. Im Juli verkaufte er Laudamotion zu 75 Prozent an Ryanair, im Jänner gab er auch den Rest der Anteile ab. REUTERS
Vierzig Jahre Fliegen mit Lauda: Hochs, Tiefs und Pleiten
Die Ereignisse haben sich bei Niki am Mittwoch überschlagen: Nachdem die EU der Lufthansa die Genehmigung für die Übernahme von weiten Teilen der Air Berlin und der bis dahin nicht insolventen Niki verweigert hatte, zog die AUA-Mutter umgehend das Übernahmeangebot zurück. Das Ergebnis: Der Flugbetrieb wurde mit sofortiger Wirkung ab dem 14. Dezember eingestellt. Die letzte Maschine, ein Airbus A320, landete um 23:18 in Wien.
1000 Mitarbeiter verlieren durch die Niki-Pleite ihren Arbeitsplatz. Viele von ihnen fanden sich in Wien Schwechat ein um die letzte Maschine in Empfang zu nehmen. Damit wollte man Solidarität bekunden - immerhin scheint vorerst eine Ära zu Ende zu sein. Ein Niki-Pilot - er will nicht genannt werden - erzählt, wie es dazu kam.
Die Aktion entstand spontan - erst kurz zuvor hatten die Mitarbeiter von der Insolvenz erfahren. Viele von ihnen sind nicht nur Kollegen, sondern auch Freunde.
Gemeinsam ging die "Niki Crew" durch den Securitybereich. Mit dabei waren auch AUA-Mitarbeiter, die früher bei Niki tätig waren. Ob oder wann die Mitarbeiter wieder an Bord gehen können, ist völlig unklar. Alle 28 Flugzeuge der Niki-Flotte müssen auf dem Boden bleiben. 10.000 Passagiere sitzen Schätzungen zufolge fest.
Der Flughafen Wien hat die Mitarbeiter kostenfrei mit Bussen auf das Flugfeld gebracht, auch die gesamte Security hat mitgespielt.
Als die Passagiere ausgestiegen sind, haben die Mitarbeiter geklatscht. Die Passagiere waren erleichtert - sie hatten befürchtet, nicht mehr heimzukommen.
Alle Mitarbeiter betraten noch einmal die Maschine. Dort sangen sie ein Lied - "und so haben wir uns von dem Flieger verabschiedet", berichtet der Pilot. Und weiter: "Es sind Tränen geflossen - es war schräg die Uniform noch einmal zu tragen."
Die "Niki Crew" hält zusammen. Wie es weitergeht, weiß niemand. Der "Niki Spirit" kam immer wieder zur Sprache - "stay united" wurde immer groß geschrieben. "Wir haben das gelebt und das hat man gestern auch gefühlt."
Bei Air Berlin will man einen alternativen Käufer finden. Bis dahin müssen die Mitarbeiter um ihre Jobs bangen. Kaufinteresse hat übrigens Niki Lauda, der mit der Thomas-Cook-Tochter Condor für Niki geboten hatte, allerdings Lufthansa und EasyJet unterlag. Am Donnerstag soll es eine Versammlung geben, wo die Mitarbeiter informiert werden.