Der Tiroler Immobilieninvestor will Kika/Leiner. Er bietet 450 Mio. Euro für die Immobilien und einen symbolischen Euro für das Tagesgeschäft. Hinter den Kulissen gehen die Wogen hoch.
Wien. Es war 13 Uhr, als am Donnerstag die letzte Meldung nach außen drang: Der Tiroler Immobilientycoon René Benko stellte Kika/Leiner ein Ultimatum. Wie „Die Presse“ erfuhr, bot er der angeschlagenen Möbelkette 450 Mio. Euro für ihre Immobilien – und einen symbolischen Euro für das operative Geschäft.
Das Angebot seiner Signa Holding galt genau noch eine halbe Stunde, bis 13.30. Wollte Kika/Leiner eine drohende Insolvenz abwenden, musste es schnell reagieren. Diese Chance ergriff die Geschäftsführung – unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Bis Redaktionsschluss war nicht bekannt, wie die Zukunft der zweitgrößten Möbelkette mit ihren gut 5000 österreichischen Mitarbeitern aussieht.
Der Auftritt des René Benko war ein Knall im Verhandlungsmarathon, der sich seit Anfang letzter Woche hinter geschlossenen Türen abspielt. Auslöser der aktuellen Krise war der abrupte Rückzug des größten internationalen Kreditversicherers Euler Hermes gewesen. Kika/Leiner-Chef Gunnar George suchte daraufhin nach einer „österreichischen Lösung“. Doch bald wurde klar: Hier geht es nicht mehr darum, auf nationaler Ebene einen Nachfolger für den Kreditversicherer zu finden, der die Lieferanten gegen etwaige Forderungsausfälle absichert.
Die Frage lautete bereits: Notverkauf oder Insolvenz? Gläubiger, potenzielle Käufer, Banken und das eigens nach Wien eingeflogene Management des südafrikanischen Mutterkonzerns Steinhoff verhandelten Tag und Nacht. Der Datenraum ist – wie „Die Presse“ erfuhr – bereits seit mehreren Tagen geöffnet, damit Interessenten die Firmenbücher prüfen konnten.
Gunnar George hatte sich seine „österreichische Lösung“ wohl anders vorgestellt. Er wollte mit frischem Geld beenden, was er begonnen hatte: die im Dezember im Zuge des Bilanzskandals bei Steinhoff in Turbulenzen geratene Kika/Leiner-Gruppe mit einem Sparprogramm und einer Geldspritze wieder auf die richtige Bahn bringen. An René Benko hatte er zum Jahreswechsel in einer Notaktion bereits den Leiner-Flagshipstore auf der Mariahilfer Straße für kolportierte 50 bis 70 Mio. Euro abgegeben. Mit dem Erlös wurden die fälligen Weihnachtsgehälter bezahlt. Sonst wäre bereits damals die Insolvenz im Raum gestanden.
Jetzt, wo Ende des Monats doppelte Sommergehälter anstehen, orteten viele Beobachter eine Rückkehr der Krise. Aber in Georges Szenario war der Tiroler Investor nicht ein weiteres Mal als Retter vorgesehen. „Nehmen Sie einen denkmalgeschützten Möbelladen in Bruck an der Mur. Den will Benko mir eher nicht abkaufen“, verwarf er diese Option im Interview mit der „Presse“.
„Ein logischer Schritt“ nach Österreich
Sollten sich alle Verhandlungsseiten – und vor allem die Gläubiger, an deren Ok der Deal laut Insidern am Ende hängt – einigen, wird George nicht recht behalten. Dann gehen die verbliebenen 46 österreichischen Filialen und weitere 23 osteuropäische Standorte an Benko.
„Benko hat bereits unter Beweis gestellt, dass er Handelsketten führen kann“, sagt Branchenexperte Andreas Kreutzer. 2014 kaufte der Tiroler – damals ebenfalls für einen symbolischen Euro – die strauchelnde deutsche Warenhauskette Karstadt. Das Geschäft läuft dort heute, nach einem rigiden Sparkurs und Stellenstreichungen, besser als beim großen Rivalen Kaufhof. Dass Benko nun die Gelegenheit ergreifen und mit einem Schlag groß in den österreichischen Möbelhandel einsteigen will, sei ein „logischer nächster Schritt“. Der Immobilieninvestor hat Gefallen am Tagesgeschäft gefunden, sagt Kreutzer. Zwei Fragen blieben aber auch bei einem geglückten Verkauf offen: Wie viele Filialen wird Benko am Ende des Tages behalten – und wie viele Mitarbeiter? Und braucht er wirklich die beiden Marken Kika und Leiner, deren Zusammenlegung die Kunden nachhaltig irritierte?
Die Befürchtungen vieler heimischer Möbelhersteller und Händler wären im Fall eines Benko-Deals jedenfalls unbegründet. Sie äußerten bereits Angst vor einem neuen Monopol, nachdem sich der größte Mitbewerber, die Welser Lutz-Gruppe, vergangene Woche als potenzieller Retter von Kika/Leiner in Stellung brachte. Die Wettbewerbshüter hatten der Übernahme unter Auflagen grünes Licht gegeben.
Jetzt sind die Karten neu gemischt. Nur eines scheint sicher: „Benko wäre für XXXLutz ein spannender, herausfordernder Konkurrent“, sagt Kreutzer.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.06.2018)