Die Historie des einstigen Familienunternehmens Kika/Leiner reicht zurück ins Jahr 1910. Die Blütezeit hat man hinter sich. Die Gründe für die Turbulenzen sind nicht eindeutig.
Wien. Im September 2009 feierte Leiner sich selbst. Genauer, das Unternehmen feierte sein 100-jähriges Bestehen. Man erzählt sie gern, die Geschichte von Rudolf Leiner senior, der im Jahre 1910 die Bettfedernhandlung am Rathausplatz von St. Pölten übernahm und sein erstes Geschäft, den „Leiner“, gründete. „Expansion und Weiterentwicklung haben aber noch lange keinen Stillstand erreicht“, jubilierte man zum Hunderter. Aber mit der Feierstimmung dürfte es erst einmal vorbei sein.
Das Unternehmen steckt tief in der Krise, und die Zukunft ist unsicherer denn je (siehe Artikel Seite 1). Dabei hatte alles so schön begonnen. Die Leiners waren Unternehmer alter Schule, Generation Wiederaufbau: Rudolf Leiner junior stieg mit Anfang 20 in den väterlichen Betrieb ein. Nach dem Zweiten Weltkrieg inklusive Kriegsgefangenschaft in den USA kam er 1946 zurück in die Heimat. Nach nur zwei Tagen Pause stand er wieder im Geschäft, zwei Jahre später wurde er Geschäftsführer und begann mit dem Ausbau in Österreich. Der Aufenthalt in Übersee hat geholfen: Er habe dort etwa erkannt, dass große Flächen wichtig seien, sagte Schwiegersohn Herbert Koch einmal.
Große Expansion
Apropos: Leiner junior tat sich offenbar schwerer, das Szepter abzugeben als sein Vater. Er soll seinem Schwiegersohn lange wenig Spielraum im Unternehmen gelassen haben, auch als der schon längst Geschäftsführer war. Dabei hatte Koch den richtigen Riecher: Er gründete 1973 die Möbelkette Kika und zeichnete maßgeblich für das starke Wachstum des Unternehmens verantwortlich. 1999 übernahm Kika/Leiner den Konkurrenten Michelfeit und damit neben sieben Standorten in Österreich auch zwei in Ungarn. Das war der erste Schritt nach Osteuropa. Es folgten mehr als 20 Standorte in der Region. Obwohl sich Schwiegervater Rudolf stets gegen die Expansion und die Übernahme ausgesprochen hatte.
Zur Blütezeit brachte es Kika/Leiner auf über 1,2 Milliarden Euro Jahresumsatz, mit 73 Filialen und 8000 Mitarbeitern in sieben Ländern. Neben Österreich bespielte man Ungarn, Tschechien, die Slowakei, Kroatien, Serbien und Rumänien. Die Gruppe rangiert auf Platz zwei im heimischen Möbelhandel – hinter Lutz, vor Ikea. In Österreich hat Kika/Leiner 46 Standorte, von 800 Mio. Euro Umsatz bleibt aber praktisch kein Gewinn. Die Zukunft ist ungewiss. Dazu, wer für die Turbulenzen verantwortlich ist, gibt es mehrere Geschichten. Markenexperten sehen einen Fehler in der – vorübergehenden – Zusammenlegung der Marken Kika und Leiner im Jahr 2014. Es war ein Versuch des neuen Mutterkonzerns, Steinhoff. Die Südafrikaner hatten der Familie Koch Kika/Leiner 2013 für kolportierte 500 Mio. Euro abgekauft. Der gute Name Leiner sei auf das damals eher undefinierte Konzept von Kika geprallt, so die Kritik.
Probleme mit Steinhoff-Bilanz
Gunnar George, der nach der Übernahme bei Kika/Leiner als Sanierer antrat, sieht die Fehler in der Zeit, als die Firma noch in Familienbesitz war. Er habe einen „dreißigjährigen Investitionsstau“ vorgefunden. Akut wurde die Krise allerdings 2017, als Berichte über Bilanzfälschungen bei Steinhoff laut wurden. Ruhig wurde es seither nicht mehr.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.06.2018)