Der smarte Angriff des Diskonters Hofer

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Handel. Preis und Qualität allein würden keine Kunden mehr locken, sagt Hofer-Chef Günther Helm. Karge Supermärkte mit Diskontware schon gar nicht. Heute verkauft Hofer seinen Kunden Bio-und Regionalprodukte. Und ein gutes Gewissen.

Wien. An seinem Schreibtisch im oberösterreichischen Sattledt sitzt Günther Helm nicht oft. Letzte Woche war der Hofer-Chef in Slowenien, nächste Woche besucht er einige seiner gut 130 ungarischen Filialen. Gerade spaziert er durch ein neu eröffnetes venezianisches Geschäft. Aldi steht über dem Eingang der Filiale, die die Architekten in gedeckten Farben, Stein und viel Glas gehalten haben. Aber hinter Aldi steht eigentlich Sattledt – und dahinter Günther Helm, der das internationale Geschäft des deutschen Diskonters lenkt.

Egal, ob in Wien oder Venetien, es sind immer dieselben Schlüsselwörter, die der Hofer-Generaldirektor verwendet: Frische, Transparenz, Regionalität. Man biete einen smarten statt eines harten Diskonts. Die Strategie fährt er nicht nur in Italien, wo das Unternehmen in den vergangenen drei Monaten 30 Filialen eröffnet hat und sich „ein paar Hundert“ vorstellen kann. Aber die Filiale nahe Venedig mit ihren aufgetürmten reifen Melonen, Feigen, dem Schinken aus Parma und den Cantuccini aus der Toskana ist ein guter Indikator dafür, wohin die Reise geht. Mit den kargen Hallen und wenigen Hundert Tiefpreisartikeln auf Paletten, mit denen der Österreicher Helmut Hofer vor 50 Jahren gestartet ist, wird es nichts zu tun haben.

Gute Preise vom guten Nachbarn

„Preis und Qualität allein reichen der jungen Generation nicht mehr“, sagt Helm. Man müsse den Menschen mehr bieten. Er, der nach einer steilen Karriere vom Regionalverkaufsleiter vor drei Jahren zum Vorstand aufgestiegen ist, bietet so ziemlich alles: Hofer kümmert sich um Umweltschutz, Bienen, artgerechte Tierhaltung, produziert und verbraucht CO2-freien Strom und geht gegen Plastiksackerln und Palmöl vor. „Wir wollen ein guter Nachbar, ein Good Citizen, die Sympathischen sein“, sagt Helm.

In Österreich hat es die Firma mit der Strategie auf 487 Filialen und 21Prozent Marktanteil gebracht. Nach Marken gerechnet liegt Hofer damit hinter Spar und vor Billa. Die klassischen Supermärkte klagen über die Aldi-Süd-Tochter und ihren Konkurrenten Lidl, die ihnen mit Bio- und Regionalprodukten, mit frischem Brot und Kaffee und mit billigen Eigenmarken zu Leibe rücken. Gemeinsam bestimmen Hofer und Lidl heute als eine Art billigere Supermärkte mit abgespecktem Artikelangebot fast 30 Prozent des österreichischen Lebensmittelhandels. Von Helm selbst erfährt man das genauso schwer wie Investitions- oder Gewinnsummen oder den Jahresumsatz von zuletzt 4,1 Mrd. Euro. „Mit Zahlen haben wir es nicht so“, heißt es.

Die Einstellung ist auch dem zugeknöpften deutschen Mutterkonzern geschuldet. So wissen auch nur wenige, dass in Helms Büro in Sattledt und in einer stark wachsenden zweiten Zentrale in Salzburg das gesamte internationale Geschäft von Aldi Süd zusammenläuft. Der Hofer-Chef ist für rund 900 Filialen und mehr als 20.000 Mitarbeiter in Österreich, der Schweiz, Slowenien, Ungarn und nun auch Italien zuständig. Darüber hinaus ist Helm die letzte Instanz für so große Märkte wie die USA, Australien, China, Großbritannien und Irland. Nach eigenen Angaben des Konzerns eröffnet täglich irgendwo auf der Welt eine Filiale. „Ich entscheide aber nicht, wo sie in Kalifornien gebaut wird“, sagt Helm. „Sonst würde ich nur im Flieger sitzen.“ Dafür gibt es Manager vor Ort.

Diskrete Testballons

Auch die kalifornischen Mitarbeiter müssen sich dabei an zwei interne Regeln halten: „Wir arbeiten mit niemandem, der nur auf Profitmaximierung aus ist.“ Und: „Wenn jemand draufzahlt, ist es kein nachhaltiges Geschäftsmodell, und dann machen wir es nicht.“ So gibt es nach wie vor keine Kundenkarte – sonst könnte Hofer nicht allen denselben Preis anbieten – und keinen Onlineshop für frische Lebensmittel. Bisher sah der Diskonter den Vorkehrungen der anderen Supermärkte interessiert zu, hielt sich dem verlustreichen Geschäft mit Lebensmittelbestellungen aber großräumig fern. Amazon – ein Hauptgrund für den digitalen Start vieler Konkurrenten – „müsse man beobachten“, sagt Helm.

Untätig sei seine Firma beim Thema Onlinehandel nicht, auch wenn das so scheint. Zurzeit steigen überall auf der Welt Testballons – gewollt diskrete. In Österreich liefert Hofer inzwischen sperrige Geräte wie Infrarotkabinen nach Hause, in Großbritannien sind es Weine. In China ist Mutter Aldi den anderen Weg gegangen und verkauft seit 2017 über den Amazon-Rivalen Alibaba Lebensmittel an chinesische Kunden, bevor dort eine einzige Filiale steht. Wann man mit Lebensmitteln starten will, sagt Helm nicht. Nur: „Das passiert alles nicht zufällig.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.07.2018)

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