Die Sonne ist nicht schuld am Kurssturz von Zalando

Zalando verkauft fast nur Markenprodukte. Das macht den Onlinehändler unflexibel.
Zalando verkauft fast nur Markenprodukte. Das macht den Onlinehändler unflexibel. (c) REUTERS (Hannibal Hanschke)
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Onlinehändler schiebt zweite Gewinnwarnung auf die Hitzewelle.

Wien. Der heiße Sommer scheint den Zalando-Vorstand Ruben Ritter wirklich zu beschäftigen. Zum zweiten Mal binnen sechs Wochen musste der börsenotierte Berliner Onlinehändler seinen Anlegern erklären, dass es heuer weniger Gewinn geben wird, als zunächst erwartet. Zum zweiten Mal machte er die anhaltende Hitzewelle in Europa für den unerwarteten Einbruch verantwortlich. Das Umsatzwachstum werde bei 20 statt 25 Prozent zu liegen kommen, das bereinigte Betriebsergebnis (Ebit) bei 150 bis 190 Millionen Euro statt bisher prognostizierter 220 bis 270 Millionen Euro. Das war offenbar mehr, als die Investoren verdauen konnten. Sie stießen die Papiere des Händlers am Donnerstag ab, der Zalando-Kurs brach zwischenzeitlich um zwanzig Prozent ein.

Zu wenig Eigenmarken

Dass daran wirklich nur die Hitzewelle schuld sein kann, bezweifeln die Analysten quer durch die Bank. So stimmt es zwar, dass wärmere und vor allem längere Sommer den Modehandel generell vor Schwierigkeiten stellen, da bei Temperaturen um die 30 Grad niemand an teurere Herbst- und Winterjacken denkt. „Es ist unwahrscheinlich, dass wir unsere Erwartungen für die Herbst/Winter-Saison erfüllen werden. Die Saison hat einfach noch nicht begonnen.“, sagt Ritter.

Aber das allein ist es nicht. Mehr als am Wetter laboriert Europas größter Onlinehändler derzeit an seinem eigenen Geschäftsmodell. So verkauft Zalando online zwar über 2000 Marken von Nike über Superdry bis Levi's. Doch der Anteil an Produkten aus dem eigenen Haus ist mit zehn Prozent sehr gering. Zum Vergleich: Kleinere Konkurrenten wie Asos und Boohoo, die ebenfalls am deutschsprachigen Markt unterwegs sind, kommen auf 50 beziehungsweise sogar 100 Prozent Eigenmarken-Anteil.

Das ist ein doppelter strategischer Nachteil für Zalando. Erstens ist jeder Händler leichter ersetzbar, wenn er in erster Linie Artikel fremder Designer verkauft. Damit ist das deutsche Unternehmen den Angriffen von Onlinehandelsriesen wie Amazon, der immer stärker auch in den Bekleidungsbereich drängt, voll ausgeliefert. Die Konkurrenz ist höher, entsprechend höher ist auch der Druck auf die Margen, wenn Mitbewerber versuchen, über Rabattaktionen Marktanteile zu gewinnen.

Zweitens schwächt die hohe Abhängigkeit von Fremddesignern die Reaktionsfähigkeit des Konzerns auf äußere Einflüsse – wie eben ein längerer Sommer. Während Anbieter wie Boohoo neue Ware in eineinhalb Wochen in den Online-Store bringen können, dauert das bei Zalando deutlich länger. „Die Kombination aus enttäuschenden Verkaufszahlen und schwachen Margen ist neu für Zalando“, schrieben die Analysten von Warburg. Die einzig gute Nachricht sei das starke Kundenwachstum. Zalando ging im Frühling erstmals seit fünf Jahren wieder in neue Märkte. Mit Irland und Tschechien ist das Unternehmen inzwischen in 17 europäischen Ländern aktiv. Die Zahl der Kunden stieg um fast 16 Prozent auf 24,6 Millionen.

Teuer erkauftes Wachstum

Doch auch das starke Wachstum ist für Zalando nicht mehr so billig zu haben wie noch vor wenigen Jahren. Reichten 2015 rund 50 Millionen Euro an Investitionen, muss das Unternehmen heuer bereits 350 Millionen Euro in die Hand nehmen, um sein Logistiknetzwerk entsprechend zu erweitern. Ziel bleibt unverändert, das Geschäft bis ins Jahr 2020 zu verdoppeln, beteuerte der Zalando-Vorstand am Dienstag.

Bis dahin wollen zumindest die Analysten von Raymond James dem Onlinehändler noch Zeit geben. „Wir erwarten unterdurchschnittliche Profitabilität bis 2020, da es noch zwei Jahre brauchen wird, bis Zalando von seinen paneuropäischen Kapazitäten profitieren kann“, schreiben sie in einer Kurzanalyse – und empfehlen die Aktie weiter zum Kauf. Auch der Rest der Analysten bleibt dem Unternehmen gewogen: 15 raten zum Kauf der Aktie, 14 würden das Papier halten und acht verkaufen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.09.2018)

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