"Einiger und Schlächter": Vor 1200 Jahren starb Karl der Große

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Brutal löschte Karl I. die Spuren "barbarischer Kulturen" aus, gewissenhaft förderte er die Bildung - und gilt noch heute als "König der Könige".

Er zählt zu den bedeutendsten Herrschern des Abendlandes, als „Einiger Europas", dessen Reich sich von der Elbe bis zum Ebro erstreckte: Karl der Große. Der Frankenkönig machte sich als Förderer der Künste ebenso einen Namen wie als „Sachsenschlächter". Sein Tod am 28. Jänner 814 in seiner Residenz in Aachen tat seiner Bekanntheit bei Historikern keinen Abbruch. Denn nicht nur sein militärisches Geschick, sondern auch sein Privatleben - der gesellige Karl soll vier- oder fünfmal verheiratet gewesen sein und zahlreiche Konkubinen gehabt haben - tragen dazu bei, dass auch 1200 Jahre nach seinem Ableben die Produktion an Biografien nicht abreißt.

Das Geburtsdatum von „Charlemagne", wie er im Französischen genannt wird, ist trotz der literarischen Breite bis heute unbekannt. Die Mehrheit der Historiker hält allerdings den 2. April des Jahres 747 oder 748 für wahrscheinlich. Mit etwa sechs Jahren wurde Karl gemeinsam mit seinem Vater Pippin und seinem Bruder Karlmann von Papst Stefan II. zum König der Franken gesalbt - schon zuvor hatte der Hausmeier Pippin de facto das Land regiert, die eigentlichen merowingischen Könige waren nur noch dem Namen nach die Herrscher gewesen; nun war ihre Ablöse offiziell.

Im Alter von 16 Jahren zog Karl an der Seite Pippins erstmals in den Krieg gegen die Sachsen und Sarazenen, vier Jahre darauf übernahm er mit Karlmann die Führung über das Reich, nach dessen Tod avancierte er 771 zum Alleinherrscher. Fortan machte sich Karl daran, die Machtverhältnisse in Westeuropa neu zu ordnen und schuf damit die Grundlage des heutigen Europas. Bis 804 unterwarf er die Sachsen auf derart brutale und kompromisslose Weise, dass der den Beinamen „Sachsenschlächter" erhielt. Zwei Jahre später setzte er den letzten Langobardenkönig Desiderius ab. 788 wurden die Baiern dem Reich einverleibt, auch gegen die Awaren, Slawen und Dänen zog er in die Schlacht.

Einzig Karls Feldzug nach Spanien blieb vor den Toren Saragossas erfolglos. Während des Rückzuges überfielen die fränkischen Truppen die Stadt Pamplona und machten sich die Basken zum Feind, die die Armee wenig später in den Pyrenäen überraschten und ihr die einzige große Niederlage zufügten.

„Taufe oder Tod"

Neben der Vergrößerung seines Territoriums, war Karl auch bestrebt, gewaltsam eine Christianisierung durchzusetzen. Heiden hielt er „die Predigt mit der eisernen Zunge" entgegen, wie der deutsche Mittelalterforscher Johannes Fried in seinem Werk „Karl der Große. Gewalt und Glaube" schrieb. Die Botschaft lautete demnach: „Taufe oder Tod." Spuren „barbarischer" Kulturen wurden ausgelöscht, den verwahrlosten Klöstern verordnete er eine Orientierung an der Demut, das Papsttum wurde unter weltlichen Schutz gestellt.

Als Zeichen der Ergebenheit übersandte der 795 zum Papst gewählte Leo III. dem Frankenkönig den Schlüssel zum Grab Petri sowie das Banner Roms. Wenig später sollte er ihn am Weihnachtstag des Jahres 800 zum Kaiser krönen. Damit erhielt Karl I. einen Titel, der seit 476 in Westeuropa nicht mehr geführt wurde und löste als „patronus et advocatus" der Kirche den byzantinischen Kaiser ab. Die Einheit von Kirche und Reich war nun offiziell Staatsdoktrin. Jeder Bürger hatte die Pflicht, das „Vater Unser" zu kennen, Verunglimpfungen von Priestern oder des Christentums wurden mit dem Tod bestraft.

„Beseitigung jeder Unbestimmtheit"

Daneben manifestierte sich die von Karl betriebene „Beseitigung jeder Unbestimmtheit" auch im Bildungsbereich, wie sein Zeitgenosse Einhard in seiner „Vita Karoli Magni" festhielt - der ersten Biografie über den Herrscher. Äbte und Bischöfe erhielten den Auftrag, Schulen zu unterhalten. Am Hof des Kaisers, der laut Einhard nicht nur Fränkisch und Romanisch, sondern auch „Latein sprach, wie seine Muttersprache", wurden Gelehrte aus ganz Europa zusammengezogen. Verwaltung und Gesetze wurden reformiert, ihre Ausführung in die Hände von Grafen gelegt. Auch die Künste, die Literatur, die Architektur und die Wissenschaft erfuhren einen Aufschwung („Karolingische Renaissance").

Eine Schreibeuphorie setzte ein, die vor Verklärungen nicht Halt machte: Die Niederlage in Spanien wurde beschönigt, nach dem Ableben Karls I. sein Alter „frisiert": So heißt es in seiner Grabinschrift, er habe „siebzig Jahre des Lebens als Greis vollendet". Laut Historikern wurde er aber nicht älter als 65. Grund der Verlängerung war demnach eine Anspielung auf Psalm 89, wonach ein vollendetes Leben sieben Jahrzehnte umfassen muss.

Ebenfalls erst nach seinem Tod - es wird vermutet, dass Karl einem Infekt mit Rippenfellentzündung erlag - erhielt der Herrscher seinen Beinamen. Dieser war, vor allem seiner Statur geschuldet - mit knapp 1,84 Metern Höhe überragte der Karolinger die Mehrheit seiner Zeitgenossen. Auch sein „starker Sinn", so Einhard, eine prominente Nase und ein „vorstehender Bauch" ließen ihn stattlich wirken. Für seine Untertanen war er damit der große Kaiser, der Magnus Imperator, der das Reich beständig vergrößerte. Im 10. Jahrhundert wurde daraus der große Karl, Carolus Magnus, im 11. und 12. Jahrhundert drehten sich die Wörter zu Karl der Große um.

Obwohl sein Reich nach seinem Tod zerfiel - sein Sohn Ludwig der Fromme war nicht imstande das Riesenreich länger als ein paar Jahrzehnte zu erhalten - erinnern noch heute zahlreiche Denkmäler, Gemälde und Büsten an den Herrscher. Allein im Frankfurter Kaiserdom ist er dreizehnmal vertreten, nebenan, im „Haus am Dom", wird zu Ehren seines runden Todestages eine Sonderschau abgehalten. Unter den Ausstellungsstücken findet sich auch ein altes Messbuch mit dem lateinischen Festruf: „Dem König der Könige singe ich Lob ..."

Biografien über Karl I.

Einhart: Vita Karoli Magni. 3. Auflage, Münster, 1987
Johannes Fried: Karl der Große. Gewalt und Glaube. Verlag C.H. Beck, München 2013
Stefan Weinfurter: Karl der Große. Der heilige Barbar. Piper Verlag, München 2013
Dietmar Pieper, Johannes Saltzwedel: Karl der Große: Der mächtigste Kaiser des Mittelalters. Spiegel Buchverlag, 2. Auflage, München 2013

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