Der Mythos rund um die Hand des toten Mannes

Die mutmaßliche "Dead Man's Hand": Zwei schwarze Assen, zwei schwarze Achten.
Die mutmaßliche "Dead Man's Hand": Zwei schwarze Assen, zwei schwarze Achten.(c) Imago
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Vor 140 Jahren erschießt Jack MacCall die Wildwestlegende "Wild Bill" Hickok beim Pokern. Das Blatt, das Hickok in Händen hielt, ist heute weltberühmt.

Deadwood, South Dakota. Als der legendäre Revolverheld "Wild Bill" Hickok am 2. August 1876 den Nuttal & Mann's Saloon betritt, um Poker zu spielen, hat er kein gutes Gefühl. Üblicherweise sitzt er mit dem Rücken zur Wand, um den Eingang des Saloons zu sehen. Doch der einzig freie Stuhl hat den Eingang im Rücken. Hickok fragt daher Mitspieler Charles Rich, ob er mit ihm den Platz wechseln könne, doch dieser lehnt ab. Hickok schließt sich trotzdem der Pokerrunde an. Als kurz darauf Jack McCall, ein Mann, der gegen Hickok einen Tag zuvor verloren hat, den Saloon betritt, bekommt Hickok davon nichts mit. "Damn you, take that!", ruft McCall aus und schießt der Wildwest-Legende aus nächster Nähe in den Hinterkopf. Wild Bill fällt, die Pokerkarten in der Hand, tot vom Stuhl. Heute ist dieses Blatt als "Dead Man's Hand" berühmt.

So viel gilt als historisch gesichert. Doch um viele andere Dinge rund um den Tod von "Wild Bill" Hickok und sein berühmt gewordenes letztes Blatt ranken sich bis heute Mythen.

Warum tötete McCall "Wild Bill"?

Einen Tag vor seinem Tod spielt "Wild Bill" wie so oft Poker. Als ein Sitz frei wird, nimmt der offenbar angetrunkene Jack McCall Platz und schließt sich der Pokerrunde an. McCall verliert viel Geld. Hickok ermutigt ihn aufzuhören und bietet ihm sogar an, die Kosten für ein Frühstück zu übernehmen. McCall nimmt das Angebot an, fühlt sich aber offensichtlich verletzt. Die gängigste Theorie geht daher davon aus, dass ein wütender McCall am nächsten Tag zurückkehrt, um die erlittene Schmach zu tilgen.

McCall selbst gibt nach der Tat jedoch an, den Tod seines Bruders gerächt zu haben. Tatsächlich wurde ein Mann mit dem Namen Lew McCall von einem unbekannten Gesetzeshüter in Abilene, Kansas, getötet. In Abilene war Hickok jedenfalls von 1871 bis 1872 als Marshal tätig (während dieser Zeit stand er auch knapp davor, den gefürchteten Revolverhelden John Wesley Hardin wegen Ruhestörung festzunehmen). Ob die beiden McCalls in einem verwandtschaftlichen Verhältnis standen, ist aber ungeklärt.

In einem ersten Prozess wird der nach der Tat in Gewahrsam genommene McCall freigesprochen. Er verlässt daraufhin die Gegend und zieht nach Wyoming weiter. Nach Prahlereien mit der Tötung der Wildwest-Legende wird McCall allerdings erneut festgenommen. Bei dem zweiten Prozess kommt der Grundsatz des "Double Jeopardy", also der Unmöglichkeit der Verurteilung für ein konkretes Verbrechen, von dem man bereits einmal freigesprochen wurde, nicht zum Tragen. Der Grund: Das erste Verfahren sei irregulär gewesen und habe zudem in Indianergebiet stattgefunden.

McCall wird also in Yankton, North Dakota, ein zweiter Prozess gemacht. Im Zuge des Verfahrens beschuldigt McCall dann John Varnes, einen bekannten Spieler aus Deadwood. Dieser habe ihn für den Mord an Wild Bill bezahlt. Varnes kann allerdings nicht gefunden werden, um befragt zu werden. Es nützt daher alles nichts, dieses Mal wird der Todesschütze schuldig gesprochen. Er wird zum Tod verurteilt und am 1. März 1877 am Galgen aufgeknüpft. In einem letzten Gespräch mit einem Journalisten des "Scribner's Monthly" zeigt er keine Reue.

Aus welchen Karten besteht "Dead Man's Hand"?

Als Hickok erschossen wird, spielt er "Five-Card Draw", die vermutlich älteste Pokervariante, von der sich alle heutigen Ableger ableiten. Vermutlich hält Wild Bill im Augenblick seines Todes zwei Paar in der Hand - zwei schwarze Assen und zwei schwarze Achten. Die fünfte Karte, angeblich eine Dame, soll er gar nicht in der Hand gehalten und gerade als unbrauchbar abgelegt haben. Um die Identität dieser fünften Karte ist jedenfalls eine Debatte entbrannt: Es könnte auch ein Bube, eine Fünf oder eine Neun bzw. letztlich jede andere Karte gewesen sein - da gibt es viele Theorien. Hickok dürfte jedenfalls eine "winning hand" gehabt haben, die fünfte Karte hätte daran nichts verändert.

Ob Wild Bill diese Karten aber überhaupt in der Hand hielt, als er getötet wurde, gilt heute auch nicht als gesichert. Erstmals ist davon in der 1926 erschienenen Wild-Bill-Biographie von Frank J. Wilstach die Rede, also 50 Jahre nach Hickoks Tod. Der Autor beruft sich darin auf einen Brief von Ellis T. "Doc" Peirce, einem Friseur in Deadwood. Peirce war auch der zuständige Leichenbestatter, der die Verantwortung über Hickoks letzte Besitztümer übernahm und sich um das Begräbnis kümmerte. Er will das Blatt, bestehend aus Assen und Achten, gesehen haben.

Bedenken muss man auch, dass "Dead Man's Hand" ein gängiger Pokerbegriff war, schon lange bevor Wild Bill erschossen wurde. Erstmals schriftlich beschrieben wird das Blatt 1886, zehn Jahre nach Hickoks Tod, in einer lokalen Zeitung in North Dakota. In dem Artikel wird allerdings nicht auf Hickok Bezug genommen, sondern auf ein bestimmtes Spiel in Illinois 40 Jahre zuvor. Es wird als "Three Jacks and a pair of Tens" beschrieben, also ein "Full House" aus drei Buben und einem Paar Zehnern.

Bis zum Erscheinen von Wilstachs Buch verband niemand Hickoks Assen und Achten mit dem Begriff. Aber wie auch immer: Heute gilt Hickoks mutmaßliches letztes Blatt als "Dead Man's Hand".

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