Die Welt bis gestern

Im Kampf gegen den KP-Einfluss

Die berühmten „Vier im Jeep“. Eine Militärstreife mit je einem Soldaten der vier alliierten Besatzungsmächte in Wien.
Die berühmten „Vier im Jeep“. Eine Militärstreife mit je einem Soldaten der vier alliierten Besatzungsmächte in Wien.ORF
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Die erste Nachkriegsregierung stand vor siebzig Jahren vor einem Problem: Wie weit darf sich die sowjetische Besatzungsmacht in die Personalpolitik einmischen?

Am 21. März 1947 stand die österreichische Bundesregierung unter der Führung von ÖVP-Obmann Leopold Figl vor einem diffizilen Problem: Die russische Besatzungsmacht wollte mehr Einfluss auf die österreichische Polizei und damit auf das Innenministerium nehmen. Acht bisher in der zweiten Etage der Beamtenhierarchie untergebrachte Kommunisten sollten jetzt an Schlüsselstellen des Sicherheitsapparats positioniert werden.

Um die drei westlichen Besatzungsmächte nicht sofort kopfscheu zu machen, trugen die Sowjets diesen Wunsch dem Innenminister, Oskar Helmer (S), nur mündlich vor. Und Helmer, einer der mutigsten Antikommunisten seiner Zeit, ging damit in den Ministerrat. „Denn“, so sagte er laut Ministerratsprotokoll, „selbst kann ich die Verantwortung dafür nicht übernehmen. Ich bitte um die Entscheidung, ob ich diese Forderung annehmen kann.“ Immerhin sah Helmer die Gefahr, dass sich künftig auch die anderen drei Besatzungsmächte in österreichische Personalangelegenheiten einmischen könnten.

Die Unlust Helmers, sich in sein Ressort hineinregieren zu lassen, ist im Wortprotokoll unschwer herauszulesen. Denn die sowjetischen Wünsche haben es in sich: Neben dem „Nullgruppler“ Johann Redinger – Generalinspektor der Sicherheitswache – soll als Stellvertreter ein 32-jähriger Wiener namens Peter H. ernannt werden, der sich im Freiheitskampf bewährt haben soll. H. hat in Jugoslawien gekämpft. Sein Vater und seine Mutter weisen schwere Vorstrafen wegen Einbruchsdiebstahls auf. Dafür kann natürlich der Sohn nichts, zumal er bei einer Ziehmutter aufwuchs. Aber: „In der Polizei gibt es keinen ähnlichen Fall, dass jemand mit einer solchen Verwandtschaft aufgenommen worden wäre.“

Helmer berichtet weiter: „An die Stelle des Dr. Seipka (Personalreferent) hätte Zalel Schw., ein Freiheitskämpfer, der erst die Staatsbürgerschaft erhalten hat, zu treten.“ In der Staatspolizei, die sowieso schon vom kommunistischen Hofrat Heinrich Dürmayer geleitet wird, sollen nun weitere Genossen bzw. ehemalige Spanien-Kämpfer in leitende Positionen gelangen. So wollen es die Sowjets. Die Fürsorgerin und kommunistische Redakteurin Anna G. sei für die Jugendpolizei vorgesehen, klagt Helmer. Und dem KP-Funktionär Rudolf Hautmann würden gleich das Verkehrsamt, die Fremdenpolizei, das Ausländerreferat und die Sittenpolizei unterstellt.

Die Situation ist also mehr als pikant. Immerhin sitzt zu dieser Zeit noch ein Kommunist, Karl Altmann, als Bundesminister für Energiewirtschaft und Elektrifizierung in der Ministerrunde, die sonst von Schwarz und Rot bestückt ist. Figl legt das Problem der Herrenrunde vor, gibt aber gleich seine Meinung ab: Da könne in Hinkunft jede alliierte Macht mit ihren Wünschen kommen, das sei von Anfang an abzulehnen. Er werde sich an den Alliierten Kontrollrat wenden.

Außenminister Karl Gruber gibt ihm recht: Da würde ja in Zukunft „eine geordnete Verwaltung unmöglich sein“.

Alle sind seiner Meinung. Aber was sagt der KP-Minister Altmann? Er überrascht: „Mündliche Unterredungen nehme ich nicht so ernst.“ Aber: „Sollte der Auftrag ein deutlicher Wunsch sein, so hätten wir keine Möglichkeit, einen solchen Auftrag anzunehmen.“ Im Wesentlichen, so Altmann, „muß die österr. Regierung auf dem Standpunkt stehen, daß sie zu entscheiden hat“. Figl möge bei seinem allwöchentlichen Treffen bei den Russen die Sache besprechen. Sonst müsse man doch zum Alliierten Rat gehen.

Figl hält von einer neuerlichen Vorsprache beim sowjetischen Hochkommissar Generaloberst Wladimir V. Kurassow nichts. Er will den Alliierten Rat anrufen. Die Sowjets gerade jetzt zu verärgern wäre nicht ratsam: In London werden die Verhandlungen um einen deutschen Friedensvertrag und einen österreichischen Vertrag aufgenommen. Österreich hat Anhörungsrecht.

Wie die Causa ausging, schildert Manfred Mugrauer in einer Publikation der Alfred-Klahr-Gesellschaft. Letztlich saßen in der Wiener Polizeidirektion die führenden Kommnisten Othmar Strobel (als Vizepräsident), Heinrich Dürmayer (Leiter der Stapo), Rudolf Hautmann (Chef der Administrativen Polizei), Emanuel Edel (Polizeichefarzt) und Moritz Fels-Margulies (stv. Leiter der Wirtschaftspolizei). Auch der oben erwähnte Zalel Schwager hatte es geschafft. Ebenso der junge Peter Hofer. Und die Fürsorgerin Anna Grün. Für den gelernten Schlosser Strobel musste der Ministerrat einen Sondervertrag schaffen, weil er nicht pragmatisiert werden konnte.

Mugrauer hat auch Zahlen über den KP-Anteil am gesamten Polizeikorps erhoben. Immerhin standen von den 27 Wiener Bezirkspolizeikommissariaten zwölf unter KP-Leitung. Von den etwa 10.400 Wiener Polizeibeamten waren aber nur 1522 KPÖ-Mitglieder. Dass also der Einfluss des kommunistischen Elements auf den Sicherheitsapparat als latente Gefahr angesehen wurde, sei der Dämonisierung während des Kalten Krieges geschuldet. Überproportional sei sicher der KP-Anteil bei den Kriminalbeamten und bei der Stapo gewesen, meint Mugrauer. Bis zum Abschluss des Staatsvertrags 1955 hatten Innenminister Helmer und sein VP-Staatssekretär, Ferdinand Graf, die KP-Positionen so gut wie ausgeschaltet. In Wien gab es von da an kein einziges Polizeikommissariat mit einem KP-Leiter.

PROTOKOLLE VON DAMALS IN BUCHFORM

Eine Fundgrube. Die Edition der Protokolle des Kabinettsrates bzw. Ministerrates der Zweiten Republik ist eine Herausforderung des Staatsarchivs, die noch nicht abgeschlossen ist.

Kabinett Karl Renner. Gertrude Enderle-Burcel, Rudolf Jeřábek, Karin Feichtinger, Thomas Geldner und Leopold Kammerhofer haben die Protokolle des Kabinettsrates der Provisorischen Regierung Karl Renner 1945 bearbeitet und umfassend kommentiert. Eine Mühsal, weil die Niederschriften noch in Gabelsberger Kurzschrift angelegt wurden.

Kabinett Leopold Figl. Die nächsten Bände haben neben den Erwähnten auch noch Peter Mähner und Walter Mentzel bearbeitet.

Nur mehr als PDF? Die Wortprotokolle als Fund-grube für Historiker gibt es schon lang nicht mehr. Im Internet kursieren nur dürre Beschlussprotokolle.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.03.2017)

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