Ein Haus, das die Intrige nach Wien holte

m Jahr 1717 wird der Bau der geheimen Hof- und Staatskanzlei angeordnet.
m Jahr 1717 wird der Bau der geheimen Hof- und Staatskanzlei angeordnet.(c) Anonym / Imagno / picturedesk.co (Anonym)
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Ein ermordeter Regierungschef, die uneheliche Tochter des „Kutschers von Europa“, der Beginn eines Weltkrieges: Das Bundeskanzleramt blickt auf eine dramatische Geschichte zurück. Dabei war es am Anfang nur eine (bauliche) Notlösung.

Sie wurde gebaut, um ein Reich zu regieren, doch bald genügte sie dafür nicht mehr. Die Wiener Hofburg, Sitz des Monarchen, war zu eng für eine professionelle Verwaltung samt Registraturen und Archivarien. Heute bietet sie gerade dem Präsidenten und seinem Stab genug Raum für Besprechungen hinter der Tapetentür. Die wahre Staatsmacht sitzt schräg gegenüber im Bundeskanzleramt – und ist heiß umfehdet: Gerade entbrannte der Kampf um das Ticket für den Einzug in die vor 300 Jahren errichtete Staatskanzlei. Wer es löst, wird erst im Herbst entschieden, welche historische Bürde damit einhergeht, steht schon fest.

Im Jahr 1717 beauftragte Kaiser Karl VI. seinen Hofkanzler Philipp Ludwig Graf Sinzendorf, einen Ort für den Bau der „Geheimen Österreichischen Hof- und Staatskanzlei“ zu suchen. Der fand ein äußerst unattraktives Eck: den Ballhausplatz. „Die Löwelstraße war halb so breit, die Stadtmauer stand noch, daneben ein alter Bauernhof, von dem die Kaiserkinder die Milch bezogen, und auch das Minoritenkloster gab es“, schildert Manfred Matzka, ehemaliger und bisher längstdienender Sektionschef der Präsidialsektion im Kanzleramt. Alles Beengungen, trotz derer Baumeister Johann Lukas von Hildebrandt ein fünfeckiges Kunstwerk gelang. Um es zu finanzieren, wurde eine neue Steuer „auf jedes bay allhiesiger Stadt Wien Pfund Rindfleisch“ eingeführt.

Haus der Intrige. Am 13. September 1717 erfolgte die Grundsteinlegung. Zwei Jahre später erhob sich ein schlichter Rohbau, der Prachtvolles verbarg: schmiedeeiserne Gitter, verzierte Kandelaber, eine breite Schautreppe zum Prahlen, eine Zuckerbäckerei für das leibliche Wohl. 1742 verfügte Maria Theresia, die „Staats-Cantzley von der österreichischen anzusöndern, und bey der ersteren ein Besonderes Capo unter dem Titul eines Hoff-Cantzlers [. . .] einzurichten“. Zum ersten Hofkanzler wurde Corfiz Graf Uhlfeld bestimmt, „Staatssekretär“ wurde Johann Christoph von Bartenstein. Mit den Ämtern kam die Rivalität. „Es war ein Haus voller Intrigen, der eine wollte den anderen ausbooten“, schildert Matzka und schreibt das auch in seinem gerade erschienenen Buch „Die Staatskanzlei“. Als Beispiel nennt er Wenzel Anton Graf Kaunitz-Rietberg. Der hagere Diplomat mit der rosaroten Perücke konnte nicht umhin, sich kräftig in die Kultur- und Sozialpolitik Josephs II. einzumischen – was in heftige Dispute ausartete. Als Kaunitz 1792 abtrat, sank das Haus in die politische Bedeutungslosigkeit ab, aus der es erst Clemens Wenzel Fürst Metternich herausmanövrierte.

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