150 Jahre Reclam: Halbgötter in Gelb - Wir und die Klassiker

Reclam, sehr persönlich: Eva Menasse erinnert sich an ihre schönste Vorlesung an der Uni Wien, Michael Köhlmeier lässt La Rochefoucauld in den Spiegel blicken, und Franzobel bebildert den „Simplicissimus“.  (v. l.)
Reclam, sehr persönlich: Eva Menasse erinnert sich an ihre schönste Vorlesung an der Uni Wien, Michael Köhlmeier lässt La Rochefoucauld in den Spiegel blicken, und Franzobel bebildert den „Simplicissimus“. (v. l.)(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Eine Hommage an die Begleiter unserer Schulzeit – die Reclam-Bändchen, Bücher mit Aura, die trotz ihrer 150 Jahre noch immer nicht in die Jahre gekommen sind.

Habe nun, ach! Philosophie, Juristerei und Medizin . . .“ Was da so unbekümmert um jede metrische Korrektheit daherstolpert, sind die Anfangszeilen einer klassischen Dichtung, die es zu einiger Berühmtheit gebracht hat. Das Buch über Faust und seinen teuflischen Begleiter mit seinen vielen schwer verständlichen Sätzen nervte uns Schüler gewaltig. Schon der schmucklos-nüchterne Einband, mit dem der Band daherkam, signalisierte uns, dass es hier um nichts weniger als den Ernst des Lebens ging. Das traf nicht immer unsere Stimmung. Manchmal wollten wir diese gelben Büchlein wütend an die Wand werfen, empfanden die schwer verdaulichen und klein gedruckten Texte der Reclam-Reihe als Zumutung für unser junges Leben und schworen, nie wieder auch nur eine Zeile aus der „Judenbuche“ oder „Gustav Adolfs Page“ zu lesen.

Die Reclam-Karawane zog indessen ungerührt weiter. Und auch unsere Emotionen haben sich im Lauf der Jahre gewandelt. Der Rückblick verklärt, ganz besonders in dem Augenblick, wo wir merken, dass in den Schulrucksäcken unserer Kinder wieder haargenau dieselben handlichen gelben Begleiter auftauchen und dort, zwischen Jausenbox und Trinkflasche eingezwängt, ohne viel Platzanspruch ihr Dasein fristen. Ja, man hat den Bändchen schon immer einiges zugemutet, doch ihre Robustheit hielt stand. Sie zerfledderten zwar irgendwann, doch das war Zeugnis von geistiger Beschäftigung. Sie blieben Büchlein zum Anfassen, Bändchen zum Einpacken, Heftchen zum Lesen.

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