Warum Argentinien einst eine Familie ins ewige Eis schickte

Blick auf die Antarktis
Blick auf die Antarktis(c) imago/StockTrek Images
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Vor 40 Jahren wurde Emilio Marcos Palma als erstes Kind in der größten Eiswüste der Welt geboren - weil Argentinien seine Mutter dorthin brachte, um Gebietsansprüche zu stellen.

Geburtsorte werden in der Regel von den werdenden Eltern mit Bedacht ausgewählt. Nur manchmal ergibt sich der Ort der Niederkunft zufällig, wenn ein Baby etwa früher als erwartet in die Welt drängt. Und dann gibt es den Fall von Emilio Marcos Palma. Er wurde am 7. Jänner 1978 auf dem antarktischen Kontinent geboren – und gilt seither als das „erste jemals im ewigen Eis geborene Kind“, wie die Arbeiterzeitung vor 40 Jahren titelte.

Zeitungen weltweit berichteten über die politisch motivierte Sensation – alsbald fand sich auch eine entsprechende Eintragung im Guinness-Buch der Rekorde über den bis dato am südlichsten geborenen Menschen. Erwähnt wurden freilich auch die Eltern des Jungen, der damals „31-jährige Heereshauptmann Jorge Emilio Palma und seine gleichaltrige Frau Silvia Morello de Palma“.

"Argentinien schickte erstmals eine ganze Familien ins ewige Eis"

Ihnen war die Reise in die Esperanza-Station („Hoffnungs-Station“) an der Hope Bay der Antarktischen Halbinsel von Politikern aufgetragen worden. Im Wortlaut der Arbeiterzeitung: „Mit den Palmas schickte Argentinien erstmals ganze Familien ins ewige Eis, unter ihnen sieben Kinder im schulpflichtigen Alter.“ Motiv hinter der Aktion war, dass Argentinien seine Ansprüche auf einen Anteil des eisigen Kontinents untermauern wollte.

Denn trotz des seit 1961 geltenden Antarktisvertrages beanspruchen gut ein halbes Dutzend Staaten Regionen des Südkontinents für sich – neben Argentinien handelt es sich dabei um Australien, Chile, Frankreich, Großbritannien, Neuseeland und Norwegen. Der Kontakt wurde am 1. Dezember 1959 unterzeichnet und trat am 23. Juni 1961 in Kraft. Er legt fest, dass die unbewohnte Antarktis zwischen 60 und 90 Grad südlicher Breite ausschließlich friedlicher Nutzung vorbehalten bleibt. Eigentlich sollte das Vertragswerk nach 30 Jahren seine Gültigkeit verlieren, doch 1991 wurde er um weitere 50 Jahre verlängert.

Die argentinische Regierung glaubte, das Regelwerk mit der Geburt eines Kindes umschiffen zu können: Da Jorge Emilio Palma und seine Frau beide argentinische Staatsbürger waren, wurde das 3,4 Kilogramm schwere Baby umgehend zum Argentinier. Da sich die Esperanza-Station aber in einem Gebiet befindet, das auch die Briten für sich beanspruchen und die britische Nationalität vor dem Jahr 1983 aufgrund der Geburt auf britischem Grund und Boden vergeben wurde, hätte der „Antarktikaner“ auch Anspruch auf einen britischen Pass.

Acht Geburten in der Esperanza-Station

Völlig unumstritten ist Emilios Status als Erstgeborener in der Antarktis allerdings nicht. So beanspruchte Solveig Gunbjörg Jacobsen, die am 8. Oktober 1913 in Grytviken, der Hauptstadt des britischen Überseegebietes Südgeorgien, zur Welt kam, diesen Titel zeitlebens für sich. Doch erblickte sie deutlich weniger weit südlich das Licht der Welt. Insgesamt wurden bis heute offiziell elf Kinder in der größten Eiswüste der Erde geboren, acht davon in der Esperanza-Forschungsstation.

Der britische Entdecker James Cook war im Jänner 1773 übrigens der erste Forschungsreisende, der den südlichen Polarkreis überquerte. Der amerikanische Robbenfänger John Davis gilt als erster Mensch, der den Kontinent betrat. Das war 1821.

Antarktis

Als Antarktis werden die um den Südpol gelegenen 52 Millionen Quadratkilometer umfassenden Land- und Meeresgebiete bezeichnet, deren Klima das kälteste der Erde ist. 13 Millionen Quadratkilometer entfallen auf die Landmassen des Antarktika genannten antarktischen Kontinents, den zum Teil mehr als 100.000 Jahre altes, kilometerdickes Eis bedeckt. Höchste Erhebung ist das Vinson Massiv mit 5140 Meter.

Das Eis der Antarktis birgt umfasst etwa 85 Prozent der Süßwasservorräte unseres Planeten. Das eisige und lebensfeindliche Klima, mit einem gemessenen Kälterekord von minus 88,2 Grad Celsius und extremen Temperaturschwankungen zwischen Sommer und Winter, lässt keine dauerhafte menschliche Besiedlung zu.

(hell)

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