Gurkenkrümmungsverordnung: Der Tag, an dem die Diskriminierung der Gurken begann

Clemens Fabry/Die Presse
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Vor 30 Jahren beschloss die Europäische Gemeinschaft die sogenannte Gurkenkrümmungsverordnung. Sie handelte sich damit viel Spott und Kritik ein. Zurecht?

Die Gurken müssen alle gerade sein: Vor 30 Jahren erließ die Kommission der Europäischen Gemeinschaften die Verordnung (EWG) Nr. 1677/88, besser bekannt als Gurkenkrümmungsverordnung. Bis zum Jahre 2009 gab es die Regelung, die Gurken der Güteklasse Extra eine maximale Krümmung von zehn Millimetern auf zehn Zentimetern Länge vorschrieb. Was steckte hinter der Vorschrift? Eine nützliche Regelung - oder gemeiner Gemüserassismus?

Offiziell hieß die Regelung Handelsklassenverordnung. In ihr wurden 25 Früchte und Gemüsesorten in die drei Klassen Extra, 1 und 2 eingeteilt. Bei Gurken der Güteklasse Extra hieß es, sie müssen „gut geformt und praktisch gerade sein“. Diese Norm löste heftige Debatten aus. Sie stand synonym für eine von der Bevölkerung empfundene Regelungswut der EU - die der Europäischen Gemeinschaft (EG) nachfolgte.

Österreich hatte schon seit 1968 eigenes Gurkenkrümmungs-Gesetz

Tatsächlich ging die Idee zu der Verordnung nicht von der EG aus. Man übernahm eine seit vielen Jahren stehende, jedoch nicht verbindlich geregelte Empfehlung der UN-Wirtschaftskommission. Zudem kam die Wirschaftsgemeinschaft damit einer Forderung des Lebensmittel-Einzelhandels nach. Dort wünschte man sich verbindlich geregelte Kategorien bei Gemüse und Obst, um sie an die Bauern weitergeben zu können. Die Gurken könnten dadurch besser verglichen und in Einheitskisten eingeordnet werden.

Die Regelung war für Handel und Supermärkte also sehr von Vorteil. Trotzdem: Die Verordnung handelte sich Spott und Hohn ein. Und EU-Skeptikern lieferte sie viel Stoff, die Union zu kritisieren.

Auch in Österreich wurde über das Gesetz gelacht. Damals betraf diese Verordnung Österreich noch nicht, da man erst 1995 der EU beitreten sollte. Zu Lachen hätte man hierzulande aber nichts gehabt. Denn: In Österreich gab es schon seit 1968 ein Gesetz, das Gurken ihre Krümmung vorschrieb, die "Qualitätsklassenverordnung". Und zwar genau gleich: maximale Krümmung von zehn Millimetern auf zehn Zentimetern Länge. Spott und Hohn gab es aber auch damals schon dafür.

Abschaffung "reine Symbolpolitik"?

Heute gibt es die EU-Regelung nicht mehr. Sie wurde 2009 abgeschafft, obwohl sich die meisten der Mitgliedsstaaten (15 von 27) dagegen aussprachen. Propagiert wurde dies durch einen Abbau des Bürokratenwahns der EU. Der Deutsche Bauernverband kritisierte den Schritt scharf. Er sagte, dass es sich dabei um „reine Symbolpolitik“ handle. In den Gemüseregalen der Supermärkte hat sich durch die Abschaffung der Norm aber nicht viel geändert. Gerade ist hier das Schönheitsideal der Gurken. Krumme findet man kaum.

Gelästert wird trotzdem noch. Auf den diversen Social-Media-Plattformen ist die Nachricht, dass das Gesetz bereits vor Jahren abgeschafft wurde, noch nicht bei jedem angekommen. #Gurkenverordnung wird zudem häufig für Beispiele unnötiger, ja gar lächerlicher Gesetze der EU genommen. So schnell wird diese Regelung wohl niemand vergessen. Trotzdem: Es handelte sich bei der Gurkenkrümmungsverordnung keineswegs um reine Gurkendiskriminierung oder Bürokratenwahn der EU. Sie war ein Instrument das Gemüse, besser verpacken, vergleichen und stapeln zu können.

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