Die "Schlacht von Wöhrden" und wie die Nationalsozialisten daraus Kapital schlugen

Symbolbild: Ein Treffen der Sturmabteilung (SA) der Nationalsozialsten.
Symbolbild: Ein Treffen der Sturmabteilung (SA) der Nationalsozialsten.(c) Imago
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Am 7. März 1929 kam es im deutschen Ort Wöhrden zu einer Schlägerei zwischen Nationalsozialisten und Kommunisten, bei der drei Menschen starben. Die Nationalsozialisten wussten die Geschehnisse propagandistisch auszuschlachten.

"Drei Todesopfer bei einem Zusammenstoß zwischen Hakenkreuzlern und Kommunisten in Holstein", schreibt das "Neue Wiener Journal" Anfang Februar 1933 über die blutigen Straßenexzesse, die in Folge als "Blutnacht von Wöhrden" - ein Begriff geprägt von den Nationalsozialisten - in die Geschichte eingehen sollten.

Es heißt weiter: "Es kam zu dem ersten Zusammenstoß, als kommunistische Raufbolde versuchten, sich durch den geschlossenen Zug ihrer Gegner zu zwängen. Die ersten Raufhändel arteten sofort in eine wilde Schlacht aus, die von beiden Seiten mit furchtbarer Erbitterung durchgekämpft wurde. In regelrechten Sturmkolonnen brachen die Kommunisten gegen die geschlossenen Reihen der Nationalsozialisten vor, die rasch ihre Fahnenstangen in Hiebwaffen und Lanzen verwandelten. Mit Dolchen und Messern wurde gekämpft. Die Polizei war machtlos, sie mußte dem gegenseitigen Abschlachten tatenlos zusehen."

Auseinandersetzungen zwischen Nationalsozialisten und Kommunisten sind Ende der 1920er Jahre keine Seltenheit. Am 28. Februar 1929 etwa, also nur eine Woche vor der "Blutnacht von Wöhrden", kommt es erneut zu Schlägereien zwischen den beiden Gruppierungen, aus der die Kommunisten als Sieger hervorgehen. Die unterlegenen Nationalsozialisten sinnen auf Rache, die sie am 7. März 1929 üben wollen.

Adolf Hitler spricht beim Begräbnis

Eine Ortsgruppe der NSDAP beabsichtigt an diesem Tag, eine öffentliche Kundgebung abzuhalten. Doch der zuständige Landrat verbietet eine Kundgebung, woraufhin die Nationalsozialisten die Kundgebung in eine geschlossene Mitgliederversammlung umwandeln, die sie im Gasthof Handelshof abhalten. In der gegenüberliegenden Gastwirtschaft "Zur Börse" halten sich 300 weitere SA-Mitglieder auf. Gleichzeitig kommt der Kommunistenführer Christian Heuck am Abend mit 100 Gleichgesinnten nach Wöhrden.

Provozierend marschieren sie an den beiden Lokalen, in denen sich die NS-Anhänger versammelt haben, vorbei. Sie singen lautstark die "Internationale" und schmähen die politischen Gegner mit "Nieder mit Hitler"-Rufen. Um 21.30 Uhr kommt es zur blutigen Konfrontation, bei der drei Menschen - zwei Nationalsozialisten, ein Kommunist - sterben. Es gibt drei Schwer- und 23 Leichtverletzte.

Sowohl Nationalsozialisten als auch Kommunisten versuchen in der Folge, die Geschehnisse propagandistisch auszuschlachten, vor allem die Begräbnisse mit tausenden Besuchern werden als Orte ideologischer Inszenierung genutzt. Die beiden getöteten SA-Männer werden daher auch an zwei verschiedenen Tagen, am 12. und 13. März beerdigt, um mehr Aufmerksamkeit zu haben. NS-Parteichef Adolf Hitler kommt zweimal als Redner.

War die "Blutnacht" geplant?

Bis heute stellt sich die Frage, wie sehr die "Blutnacht" und deren propagandistische Ausschlachtung im Voraus geplant waren. NSDAP-Ortsgruppenleiter van Wirdum gibt später zu Protokoll, dass er aus der Partei ausgeschlossen wurde, weil er bei dem "Überfall" in Wöhrden nicht mitmachen wollte. Auch wird bereits am 3. März ein Befehl herausgegeben, wonach sich sämtliche SA-Truppen am 7. März um 20 Uhr in Wöhrden einfinden sollen.

Die Reichstagsfraktion der NSDAP wartet ebenfalls nicht lange und verfasst noch im März eine Propagandaschrift über die "Blutnacht von Wöhrden" und spricht von einem "kommunistischen Mordüberfall". Unbewaffnete Nationalsozialisten seien von bewaffneten Kommunisten in einen Hinterhalt gelockt worden, lautet die NS-Geschichtsschreibung. Die zwei toten SA-Männer werden als "Opfer der Bewegung" und "Blutzeugen" stilisiert.

Die Justiz urteilt einseitig. 1930 werden dreizehn Kommunisten, aber nur ein SA-Mann angeklagt und verurteilt. Kommunistenführer Heuck erhält als Hauptangeklagter eine Strafe von einem Jahr und neun Monaten Haft. Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten wird Heuck, mittlerweile Reichstagsabgeordneter der KPD, im Februar 1933 festgenommen, weil er in einem Flugblatt zum Generalstreik aufruft. Ein Gericht verurteilt ihn zu 21 Monaten Haft wegen der Vorbereitung zum Hochverrat. Ein Jahr später, im Februar 1934, dringen SS-Männer in Heucks Zelle ein, misshandeln und töten ihn. Offiziell ist von Selbstmord durch Erhängen die Rede.

"Wöhrden war ein Austragungsort"

Horst Ploog, Chronist des Ortes Wöhrden, beurteilt die Geschehnisse vor 90 Jahren folgendermaßen: "Die Propagandatrommel der Nazis machte die sogenannte Blutnacht von Wöhrden im ganzen Reich bekannt." Für ihn ist klar, dass die Kommunisten im Ort nie jene Bedeutung hatten, die ihnen die Nationalsozialisten zuschrieben: "Wöhrden war Austragungsort, nicht mehr und nicht weniger!"

(phu)

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