Als Barbie Mädchen zeigen sollte, wie man Frau ist

Barbie dolls sit on a display before the Barbie house opening ceremony in Shanghai
Barbie dolls sit on a display before the Barbie house opening ceremony in Shanghai(c) REUTERS (Aly Song)
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Mit 60 Jahren scheint die immer junge Barbie-Puppe ordentlich in die Jahre gekommen. Sind die Zeiten der genormten Plastikfrau vorbei?

Die Geburt von Barbara "Barbie" Millicent Roberts vor etwas mehr als 60 Jahren fand wider Erwarten nicht im sonnenhellen Kalifornien statt, wie man es ob des Strandkostüms, das sie bei ihrem ersten Auftritt im Jahr 1959 trug, glauben möchte. Sondern in Oberfranken, im Deutschland der Nachkriegsjahre. Und sie hieß schlicht Lilli.

Eine US-amerikanische Fabrikantin namens Ruth Handler entdeckte Lilli 1958 während einer Reise durch Europa. Unverhältnismäßig lange Beine, dramatisch geschminkte Augen, anmodellierte schwarze Stöckelschuhe, toupierte Haartolle. Lilli war eine Erscheinung - ihr langgezogener Puppenkörper hatte beinahe etwas Alienhaftes, passend für die Ästhetik des anbrechenden Weltraumzeitalters; gleichzeitig erinnerte ihre Aufmachung, die hohen, dünnen Augenbrauen, der expressive Lidstrich an die Berliner Revues der 1920er-Jahre, an die Kühl- und Kühnheit einer Marlene Dietrich. Lilli war auch das, was Handler wollte. Sie kaufte mehrere Puppen und brachte sie mit in die USA.

Lilli war als Maskottchen der damals frisch gegründeten Hamburger "Bild"-Zeitung entstanden, auf Basis einer Comicfigur, die in der Zeitung auftauchte. Nun wurde die "Bild-Lilli" in Kalifornien von den Mitarbeitern in Handlers Firma Mattel ins Amerikanische übersetzt. Die neue Puppe wurde schon wenige Monate später, am 9. März 1959, auf der Spielzeugmesse in New York City präsentiert. Barbie, benannt nach Handlers Tochter Barbara, begann ihren Siegeszug, der sie um die ganze Welt führen sollte.

»Sie war ein von Frauen erfundenes Spielzeug, dafür erfunden, um Frauen zu lehren, was - im Guten wie im Schlechten - von ihnen erwartet wurde.«

M. G. Lord, "Forever Barbie"
Mar 5 2011 Boynton Beach Florida U S BOYNTON BEACH A 1961 Ken wearing an original tuxe
Mar 5 2011 Boynton Beach Florida U S BOYNTON BEACH A 1961 Ken wearing an original tuxe(c) imago/ZUMA Press (imago stock&people)

Während Lilli als Geschenk für Erwachsene konzipiert worden war, richtete sich Handlers Barbie an junge Mädchen. Handler hatte nämlich ihre Tochter beim Spielen mit ihren Papierpuppen beobachtet. Das Mädchen hatte dabei zukünftige Ereignisse nachgestellt - und nicht Dinge, die man im Kindesalter erleben würde.

Handler machte sich daraufhin also an die Umsetzung einer "erwachsenen" Frauenpuppe aus Plastik, deren Prototyp sie in der deutschen Lilli sah. Dass die Puppe ihrer fiktiven Biografie zufolge ein "Mannequin im Teenager-Alter" sei, hinderte die Produzenten nicht daran, ihr einen ordentlichen Busen zu verpassen. Barbie sollte sich hübsch kleiden, kochen, heiraten, Kinder kriegen. Die Mädchen sollten die Zukunft spielend erfahren.

Barbie sei weit weg davon, ein Spielzeug zu sein, das von "Männern entworfen wurde, um Frauen zu versklaven", meinte einmal die Barbie-Biografin M. G. Lord. "Sie war ein von Frauen erfundenes Spielzeug, dafür erfunden, um Frauen zu lehren, was - im Guten wie im Schlechten - von ihnen erwartet wurde."

Babyboomer-Liebling, Millennial-Unglück

Barbie wurde durch Fernsehwerbung und die Kaufkraft der Babyboomer-Generation auf eine Stufe mit der anderen US-amerikanischen Ikone - Mickey Mouse - katapultiert. Sie begann nicht nur neue Kleider zu tragen, sondern auch neue Berufe zu erlernen. Sie trat in Kinofilmen und Büchern auf. Sie las beim Babysitten Bücher wie "Wie man Gewicht verliert" (mit dem Tipp "Iss nichts!" auf dem Deckel). 1992 lernte sie sprechen und sagte Sätze wie "Ich liebe einkaufen!" oder "Mathe-Unterricht ist schwierig!". 2014 lud sie in einer Geschichte einen Virus auf zwei Computer und ließ ihn von zwei männlichen Freunden entfernen.

Die "Barbie Liberation Organization", kurz BLO, ortete damals: Barbie vertrete das Bild, dass es wichtiger sei, schön als schlau zu sein. BLO tauschte die Sprachboxen in den Barbies gegen jene aus der Actionfigur G. I. Joe. "Die Rache ist mein", rief Barbie nun. "Lass uns unsere Traumhochzeit planen", gab G. I. Joe zurück.

Barbie bediente die größten Klischees. Sie war einkaufsüchtig, weiß, blond, blauäugig und ihre Erschaffer hatten offenbar auch kein Problem damit, Barbie als dumm zu verkaufen. Die unnatürliche Form der Puppe ließ immer mehr Eltern sorgenvoll in die Kinderzimmer des Nachwuchses schielen.

In den 2010er-Jahren brachen Mattels Verkaufszahlen ein. Der Disney-Konzern überholte mit seinen "Prinzessinnen" (Stichwort: Elsa aus dem Film "Frozen") Mattel mit seinen Barbies. Die Disney-Figuren haben mittlerweile starke Charakterzüge und einen gemeinsamen, schwesterlichen Kampfgeist; Mattel ringt hingegen noch um die Zuneigung der Millennial-Eltern.

Eine halbe Leber

Wie kein anderes Produkt steht die Barbie-Puppe für Körper statt Charakter. "In ihrem Kern ist sie lediglich ein Körper, kein Charakter", schrieb die Kulturjournalistin Eliana Dockterman im US-amerikanischen "Time"-Magazin 2016 bei der Einführung einer neuen Barbie-Reihe, "eine Leinwand, auf die die Gesellschaft ihre Ängste über Körpervorstellungen projizieren kann".

»In ihrem Kern ist sie lediglich ein Körper, kein Charakter«

Eliana Dockterman, "Barbie's Got a New Body", "Time"

Mattel versucht seither, diversere Produkte zu gestalten. So reagierte man 2016 mit dem Schritt, Barbie in verschiedenen Körperformen produzieren zu lassen, nachdem man schon in den Jahren davor immer wieder neue Hauttöne, Augen- und Haarfarben eingeführt hatte. "Können wir jetzt damit aufhören, über meinen Körper zu sprechen?", titelte "Time" damals - daneben abgedruckt das Foto einer verhältnismäßig kurvigeren Barbie-Puppe. Das Körperbild nach Jahrzehnten einer unmöglichen Wespentaille - in Barbies Bauch würde, wäre sie real, zum Beispiel nur eine halbe Leber passen - wirkt aber nach: Das "kurvige" Modell der Puppe entspricht der österreichischen Konfektionsgröße 36. Kinder, wurde berichtet, empfinden sie aber dennoch als dick.

Als andere Maßnahme, wohl, um den Stereotypen-Vorwurf entgegenzutreten, gab es zum Weltfrauentag 2018 gar eine eigene Serie "inspirierender Frauen" als Barbie-Puppen. Auf die Kinoleinwand kommt demnächst dennoch die blonde, blauäugige Version von Barbie - in Form der britischen Schauspielerin Margot Robbie. 2018 riss den Konzern überraschenderweise just der Verkauf von Barbie zu Weihnachten aus den roten Zahlen. Die Zeit der genormten Frauen-Puppenkörpern dürfte also noch nicht ganz vorbei sein.

(epos)

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