Als "Edle", "Erlauchte" und "Ritter" in Österreich verboten wurden

Vier Kinder von Karl I.: Robert, Adelheid, Otto und Carl-Ludwig.
Vier Kinder von Karl I.: Robert, Adelheid, Otto und Carl-Ludwig.(c) Imago
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Am 3. April 1919 wurde das Adelsaufhebungsgesetz beschlossen. Bei Zuwiderhandeln drohten Geld- und Haftstrafen. Dass diese auch heute noch möglich sind, zeigt ein aktueller Fall.

Nach dem Ende der Monarchie Österreich-Ungarns 1918 stand fest, "dass eine demokratische Republik unmöglich einen neuen Adel schaffen kann". Das schrieb die "Neue Freie Presse" am 4. April 1919, einen Tag nachdem das Adelsaufhebungsgesetz im österreichischen Parlament beschlossen wurde: "Denn das ganze Wesen eines solchen Freistaates beruht auf der Gleichberechtigung." Verboten war es daher ab Inkrafttreten des Gesetzes eine Woche später, Adelszeichen wie "von", "Edler", "Erlauchter", "Durchlaucht" oder "Hoheit" zu verwenden. Abgeschafft wurde auch das Recht zur Führung von Standesbezeichnungen wie Freiherr, Fürst, Graf oder Ritter - ebenso wie das Führen von Familienwappen. Anreden wie "Exzellenz" wurden ebenfalls verboten. Bei Zuwiderhandeln drohten Strafen von bis zu 20.000 Kronen oder Arreststrafen bis zu einem halben Jahr.

Die Zeitung schrieb: "Die große Krise des Adels war die Revolution des Jahres 1848 und die Einführung des allgemeinen Stimmrechts. Die beiden Ereignisse waren tiefer greifend, als der heutige Beschluß, der eine natürliche folge der größten Umwälzung ist, die sich nicht nur auf dem Boden des früheren Oesterreich, sondern in der neuesten Geschichte überhaupt vollzogen hat."

Adel kein homogenes Gebilde

Der Adel der österreichischen Monarchie war kein homogenes Gebilde, wie Heinrich Bittermann 2016 in "Öffentliche Sicherheit" schrieb, "sondern hat sich entsprechend der unterschiedlichen Völker und Länder zusammengesetzt, die das Kaisertum Österreich seit dem Jahr 1804 bildeten". Zwar strebte schon Kaiser Joseph II. eine Vereinheitlichung der Standesbegriffe an, es kam aber nie zu einer adelsrechtlichen Kodifikation. Der Adel konnte auf unterschiedliche Weise erworben werden: durch Abstammung, Eheschließung, Legitimation, Adoption, Verleihung, aber auch kraft eines Amtes. Offiziere wiederum konnten "durch herausragende militärische Leistung oder besondere Tapferkeit durch Verleihung eines bestimmten Ordens" den Adelsstand erlangen.

Der einfache Adelsstand mit oder ohne Ehrenwort "Edler" sowie der Ritterstand bildeten seit 1877 den niederen Adel; Freiherrn-, Grafen- und Fürstenstand den hohen Adel.

Temperamentvolle Debatte über Abschaffung

Der Annahme des Gesetzesentwurfs über die Aufhebung des Adels ging am 3. April 1919 eine Debatte im Parlament voraus. "Durch die ganze Geschichte des Adels und seiner Vertretung der auswärtigen Geschäfte geht die Tradition des Bestochenseins von außen", sagte der sozialdemokratische Abgeordnete Leuthner. Selbst der größte Staatsmann Österreichs, Fürst Metternich, habe "bekanntlich eine russische Pension bezogen". Er verwies darauf, dass "ein großer Teil der Bürgerlichen nur dem Drucke der öffentlichen Meinung" folge, wenn sie dem Gesetze zustimmten. "Wahr ist aber, dass diese glorreichen Fürstennamen Schandsäulen in der Geschichte der Ausbeutung der Menschheit sind, dass sie Leidensstationen sind auf dem Passionswege des leidenden und arbeitenden Volkes." Seine Parteikollegin Adelheid Popp betonte, dass "der Abschaffung des Adels die neue demokratische Erziehung der Jugend folgen" müsse, "damit die förmlich abergläubische Verehrung des Adels aus der Seele der Menschen verschwinde".

Die Christlichsozialen stimmten dem Gesetz in der Tat nur ungern zu. Der Abgeordnete Mayr bezeichnete daher die temperamentvollen Darstellungen von Leuthner als "einseitig". Er sei zwar "gewiss kein Gegner der Abschaffung des Adels, weil eine solche Institution in einer demokratischen Zeit überflüssig und veraltet sei", aber der "historischen Gerechtigkeit entsprechend könnte er vielleicht eben so viele Guttaten des alten historischen Adels anführen, als der Abgeordnete Leuthner Beispiele für seine Schlechtigkeit angeführt habe".

Der deutschnationale Abgeordnete Thanner verlor in seiner Rede kein gutes Wort über den Adel, verwies aber vor allem darauf, dass "wir noch einen Stand haben, der uns ebenso gefährlich ist, wie der Adel: das Judentum". Er erntete daraufhin Applaus aus den Reihen seiner Partei und jener der Christlichsozialen. "Man schaffe also den Adel ab", so Thanner. "Je schneller, desto besser, aber man möge nicht vergessen, auch den Herren Juden an den Kragen zu gehen". Seine Worten sorgten erneut für Heiterkeit und Beifall bei den beiden Parteien.

Verschwunden ist der Adel nicht

Zwar wurde der Adel vor 100 Jahren aufgehoben, verschwunden ist er deswegen aber nicht. Wie es mit ihm weiterging, davon erzählt etwa der Habsburger Leopold Altenburg anhand seiner Familie: Man könne zwar Titel abschaffen, "nicht aber ein über Jahrhunderte gewachsenes gesellschaftliches Netzwerk".

In die Schlagzeilen geriet das Adelsaufhebungsgesetz übrigens erst vor wenigen Tagen, als das Verwaltungsgericht Wien Karl Habsburg, den Enkel des letzten regierenden Kaisers von Österreich (Karl I.), für schuldig befand, mit seiner Website www.karlvonhabsburg.at gegen das Gesetz verstoßen zu haben. Das Gericht hob aber eine vom Magistratischen Bezirksamt für Wien Landstraße verhängte Geldstrafe in Höhe von 70 Euro auf, wie "Die Presse" [premium] berichtete. Denn im Gegensatz zum Bezirksamt hält das Verwaltungsgericht die unmittelbar nach dem Zerfall der Monarchie eingeführte Geldstrafe in Höhe von 20.000 Kronen für nicht mehr anwendbar.

(phu)

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